Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund
mit dem neuesten Informationsstand in Sachen Eichmann bekannt und erbat sich als Gegenleistung einen für Wiesenthal kurios erscheinenden Lohn aus. »Wenn Sie den Verbrecher vor mir fangen, dann will ich nur seinen Siegelring und, wenn möglich, ein Gespräch mit ihm.«
Der Nazijäger hob verwundert die Augenbrauen. »Was für einen Ring denn?«
David zog Belials Fingerreif unter seinem Hemd hervor.
Wiesenthal versprach, alles zu tun, um Davids »exzentrischen Wunsch« zu erfüllen.
Der schnurrbärtige Mann strahlte Zuversicht aus, war er seit ihrem letzten Zusammentreffen doch ebenfalls nicht untätig gewesen. Er habe von unerwarteter Seite eine Bestätigung für Davids Berichte erhalten. Während des Besuchs bei einem alten österreichischen Baron sei das Gespräch unweigerlich auch auf sein, Wiesenthals, Hobby gekommen: das Aufspüren von Nazikriegsverbrechern. Der Gastgeber förderte daraufhin den Brief eines alten, nach Buenos Aires ausgewanderten Freundes zutage. Die Worte im letzten Absatz hatten Wiesenthal elektrisiert.
Ich sah dieses elende Schwein Eichmann, der die Juden kommandierte, er lebt in der Nähe von Buenos Aires und arbeitet für ein Wasserwerk.
Mit dem guten Gefühl, der richtigen Fährte zu folgen, reisten David und Lorenzo nach Deutschland weiter. Bevor sie mit einer Maschine der BEA nach London flogen, trafen sie sich in Frankfurt am Main mit Fritz Bauer. Das Büro des hessischen Generalstaatsanwalts befand sich im zweiten Stock des ehrwürdigen Justizgebäudes in der Gerichtsstraße. Im schlichten Ambiente einer deutschen Beamtenstube tauschten sie die neuesten Erkenntnisse aus. Bauer versprach, bei der nächstbesten Gelegenheit einen Vorstoß in Richtung Mossad zu unternehmen.
»Was hast du denn mit dem israelischen Geheimdienst zu schaffen?«, wunderte sich David.
»Du weißt doch noch, was ich dir einmal über das politische Klima in diesem Land erzählt habe. Es gibt einfach noch zu viele Altnazis auf Richterstühlen. Die Israelis sind da flexibler. Man muss sie nur ein wenig treten.«
»Inwiefern?«
»Sowohl Mossad als auch Shin Beth werden von einem Exilrussen namens Isser Harel geführt. Als israelischer Premier soll Moshe Sharett den kleinwüchsigen Agentenchef einmal einen ›Teufel in Zwergengestalt‹ genannt haben. Harel redet wenig, misstraut allem und jedem, ist puritanisch und erbarmungslos. Manchmal kann er tatsächlich ein wahrer Giftzwerg sein. So beachtenswert seine Fähigkeiten auch sind, so sehr überschätzt er sich gelegentlich.«
David kam diese Beschreibung sehr bekannt vor. »Vermutlich sagt man auch von ihm, nur Hunde und Kinder hätten keine Angst vor seinen harten blauen Augen.«
Fritz stutzte. »Sag bloß, du kennst den Mann.«
David lächelte still in sich hinein. »Nein, aber einen seiner Mitarbeiter.«
»Auf jeden Fall habe ich an Harel dein ganzes Material über Eichmann weitergegeben. Daraufhin hat er einen Mossad-Agenten nach Argentinien geschickt. Mit einem Spanisch sprechenden Kollegen fuhr der dann auch nach Coronel Suarez und besuchte Lothar Hermann… «
»Aber das ist doch wundervoll Sag bloß, die Israelis haben Eichmann inzwischen geschnappt?«
»Da kennst du den eigensinnigen Harel nicht. Als sein Agent ihm von Hermanns Blindheit berichtete, hat er die ganze Aktion abgeblasen.«
»Wie bitte? Aber Sylvia, die Tochter, ist doch die eigentliche Zeugin.« David schüttelte den Kopf.
»Das scheint weder die Agenten noch Isser Harel beeindruckt zu haben.«
»Ein Narr, wer Böses dabei denkt. Würde mich nicht wundern, wenn Belial auch Männer im Mossad hat. Man muss ein neues Team auf die Sache ansetzen und ich glaube auch schon den Richtigen für die Operation zu kennen.«
»Vermutlich der ›Mitarbeiter‹, den du eben schon erwähnt hast.«
David nickte. »Versuch bitte noch einmal bei Harel vorstellig zu werden. Lass dich nicht abweisen. Ich habe in den letzten Jahren so viele Fehler gemacht, dass ich für die Hilfe von Profis wahrlich dankbar wäre. Ich werde in der Zwischenzeit meine eigenen Kontakte spielen lassen und mich wieder nach Südamerika begeben. Diesmal muss es uns einfach gelingen, diesem Buchhalter des Todes das Handwerk zu legen.«
Die Rückkehr nach New York sorgte für einige Überraschungen. Ruben Rubinstein zeigte sich verwundert, ja, sogar misstrauisch, als ihm David den neuen Mitarbeiter Lorenzo Di Marco vorstellte. Diesen verblüffte dagegen mehr die überwältigende Trostlosigkeit von Davids
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