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Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund

Titel: Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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besser auskennen als irgendwelche Kerle!«, entgegnete Lorenzo verächtlich.
    »Soll das heißen, es gibt hier noch einen zweiten Ausgang?«
    »Warte!« Lorenzo nahm eine Grubenlampe von der Wand, fischte sich aus den glimmenden Trümmern einen langen Holzsplitter und setzte damit den Docht in Brand. Nachdem er das Schutzglas über die Flamme gestülpt hatte, sagte er: »Es kann losgehen. Bleib dicht hinter mir.«
    Der Gewölbekeller des Pfarrhauses besaß mehrere Räume. Im vorletzten stapelte sich die Kirchengeschichte der vergangenen Jahrhunderte bis unter die Decke. An der Rückwand des Raumes hing ein schimmeliger Gobelin. Lorenzo verlor keine Zeit. Er riss den Wandteppich herab und legte eine schwere Eisentür frei, die sich nur unter einem qualvollen Ächzen öffnen ließ. Dahinter befand sich ein weiterer Gang. Lorenzo schob David hinein und zog schnell wieder die Tür zu, um den nachströmenden Qualm abzuhalten.
    Anfangs waren die Wände des Tunnels sogar verputzt, aber schon nach wenigen Metern sah er fast wie ein Bergwerksstollen aus. »Da geht’s zur Kirche hinauf«, kommentierte Lorenzo eine Abzweigung.
    »Und da?«, fragte David, in die dunkle Tiefe deutend.
    »Du hast doch sicher schon von den Katakomben der Ewigen Stadt gehört?«
    »Natürlich.«
    Lorenzo lächelte grimmig. »Na, dann herzlich willkommen in Roms Unterwelt.«
     
     
    Es war unheimlich. Im Lichtnebel von Lorenzos Grubenlampe konnte David immer nur einen kleinen Ausschnitt der Umgebung sehen. Die oft schmalen, sich manchmal aber auch zu großen Kammern weitenden Gänge wiesen zu beiden Seiten Nischen auf, deren ursprünglicher Zweck unschwer zu erraten war. Skelette lagen in ihnen. Die Gefährten durchwanderten einen unterirdischen Friedhof.
    »Ich dachte immer, die Katakomben seien Zufluchtsstätten der ersten Christen gewesen«, sagte David, um die bedrückende Stille zu vertreiben.
    Lorenzo schüttelte den Kopf. »Ich habe mal für eine Dissertation zu dem Thema recherchiert. Gianbattista de Rossi hat die Katakomben im letzten Jahrhundert gründlich erforscht. In seinem Buch Roma sotterranea beschreibt er dieses verwinkelte unterirdische System als eine reine Grabanlage. Sowohl heidnische, jüdische als auch christliche Römer haben ihre Toten hier unten bestattet. Die Nutzung als unterirdische Versammlungsstätte durch die Christen dürfte die Ausnahme gewesen sein.«
    Ein Totenschädel glotzte David unverhohlen an. »Jetzt wird mir einiges klar. Bisher habe ich immer geglaubt, die Katakomben befänden sich weiter im Süden, unter der alten Via Appia.«
    »Niemand… Pass auf!«
    David wich einem aus seiner Nische gerutschten Knochenarm aus, der in den Gang ragte und scheinbar nur von Spinnfäden festgehalten wurde.
    Lorenzo ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Niemand kann genau sagen, wo die Römer überall den weichen Tuffstein ausgehöhlt und ihre Gräber angelegt haben. Aber du hast Recht: Die Wiederentdeckung dieser Anlage dürfte einer Sensation gleichkommen, sie liegt nämlich innerhalb des Pomerium, der geheiligten Stadtgrenze. Doch das alles hier ist völlig in Vergessenheit geraten.«
    »Nicht ganz: Hättest du dich nicht daran erinnert, wären wir jetzt wohl längst geräuchert, verbrannt oder von Schrot durchsiebt.«
    »Hier geht’s wieder in die Welt der Lebenden«, sagte Lorenzo und deutete mit der Lampe zu einer nach oben führenden Treppe.
    »Warte«, hielt ihn David zurück. »Ich muss mich noch bei dir entschuldigen.«
    »Wofür denn? Du hast mir doch gerade eben das Leben gerettet.«
    »Ja, aber dafür liegt jetzt dein Haus in Schutt und Asche. Das ist meine Schuld. Wer immer mich in Buenos Aires in die Luft zu sprengen versuchte, hat hier offenbar seinen Fehler wieder ausbügeln wollen.«
    »Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Hast du dich schon gefragt, wie uns dieser Unbekannte finden konnte?«
    David nickte mit grimmiger Miene. »Spätestens seit der Fürstenring sogar dem Feuer des Goldschmieds standgehalten hat, mussten wir wohl mit einer Entdeckung rechnen.«
    Auch Lorenzo nickte. »Unser Experiment im Mithräum von San Clemente dürfte noch ein Übriges bewirkt haben. Von dir weiß ich schließlich, dass Negromanus dich einmal in einem schottischen Schloss nach einem ähnlichen, allerdings zufälligen Versuch aufgespürt hat.«
    »Damals war ich mir nicht sicher, ob es einen Zusammenhang zwischen dem seltsamen Lichtspiel des Rubins und dem Auftauchen von Belials rechter Hand gab.« David

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