Der Krieg am Ende der Welt
Alten mit dem langgewachsenen Haar, der barfuß ging und nur mit einem Fell bekleidet war, über den Felsenhügel, in dem er seine Höhle hatte, zur Wasserstelle führte.
Als der Beatinho den Ratgeber zum erstenmal sah, war er vierzehn Jahre alt und hatte wenige Wochen zuvor eine schreckliche Enttäuschung erlebt. Pater Moraes von der Lazaristen-Mission hatte ihm gesagt – und es war wie ein Kübel kalten Wassers gewesen –, daß er nicht Priester werden könne, weil er unehelich geboren sei. Er tröstete ihn, erklärte ihm, daß er Gott genauso dienen könne, ohne die Weihen erhalten zu haben, und versprach ihm, bei einem Kapuzinerkloster vorzusprechen, in dem sie ihn vielleicht als Laienbruder aufnehmen würden. In der Nacht schluchzte der Beatinho so herzzerreißend, daß der Einäugige zornig wurde und ihn zum erstenmal seit vielen Jahren prügelte. Zwanzig Tage später stürmte unter der glühenden Mittagshitze eine lange, dunkle Gestalt mit schwarzem Haar und funkelnden Augen, in ein violettes Gewand gehüllt, in die Hauptstraße von Pombal. Gefolgt von einem halben Dutzend Leute, die wie Bettler aussahen und dennoch glückliche Gesichter hatten, durchquerte er das Dorf in Richtung auf die alte Kapelle, die seit dem Tod von Dom Casimiro so zerfallen war, daß die Vögel auf den Heiligenfiguren ihre Nester bauten. Wie viele andere Einwohner von Pombal sah auch der Beatinho den Pilger beten, auf den Boden hingestreckt wie seine Gefährten, und am Abend hörte er ihn Ratschläge zur Errettung der Seele erteilen, die Gottlosen tadeln und die Zukunft voraussagen.
In dieser Nacht schlief der Beatinho nicht in der Schusterei, sondern auf dem Platz von Pombal, neben den Pilgern, die sich rings um den Heiligen auf der Erde ausgestreckt hatten. Und am folgenden Morgen und Abend und alle Tage, solange derRatgeber in Pombal weilte, arbeitete der Beatinho neben ihm und den Seinen, versah die Bänke in der Kapelle mit Beinen und Lehnen und errichtete mit ihnen eine Steinmauer um den Friedhof, der bis dahin nur eine ins Dorf übergehende Landzunge gewesen war. Und alle Nächte kniete er neben ihm, versunken, und hörte die Wahrheiten, die sein Mund sprach. Als aber Antônio o Beatinho in der vorletzten Nacht, die der Ratgeber in Pombal verbrachte, diesen um die Erlaubnis bat, ihm durch die Welt folgen zu dürfen, da sagten zuerst die eindringlichen und zugleich eisigen Augen des Heiligen und dann auch sein Mund: nein. Auf den Knien neben dem Ratgeber, weinte der Beatinho bitterlich. Es war Nacht, Pombal schlief und es schliefen auch, ineinander verschlungen, die Zerlumpten. Die Feuer waren erloschen, aber die Sterne funkelten über ihren Köpfen, und der Gesang der Zikaden war zu hören. Der Ratgeber ließ ihn weinen, er erlaubte ihm, den Saum seines Gewandes zu küssen, änderte seine Haltung aber nicht, als der Beatinho ihn abermals anflehte, ihm folgen zu dürfen, da ihm sein Herz sage, daß er dadurch dem guten Jesus besser diene. Der Junge umschlang seine Knöchel und küßte ihm die schwieligen Füße. Als der Ratgeber sah, daß er erschöpft war, nahm er seinen Kopf in beide Hände und zwang ihn, ihm in die Augen zu schauen. Das Gesicht nahe an seinem fragte er ihn, ob er Gott so sehr liebe, daß er ihm auch den Schmerz weihen wolle. Der Beatinho nickte mehrere Male. Da hob der Ratgeber sein Gewand auf, und im ersten Licht des Morgens konnte der Junge sehen, wie er sich einen Stacheldraht abnahm, der um seine Taille lag und ihm das Fleisch aufriß. »Trag du ihn jetzt«, hörte er ihn sagen. Er selbst half dem Beatinho, die Kleider aufzumachen, den Büßergürtel fest um seinen Leib zu legen und zu verknüpfen.
Als der Ratgeber und seine Gefolgsleute sieben Monate später – neue Gesichter waren hinzugekommen, die Zahl war größer geworden, ein riesiger halbnackter Neger war jetzt dabei, aber ihre Armut und das Glück in ihren Augen waren die gleichen wie vorher – in einem Staubwirbel wieder in Pombal erschienen, lag der Büßergürtel noch immer um den Leib des Beatinho, der an dieser Stelle erst schwarzblau angelaufen war, sich dann mit offenen Wunden und später mit schwärzlichen Krustenbedeckt hatte. Nicht einen Tag hatte er ihn abgenommen, und in bestimmten Zeitabständen hatte er den Stacheldraht, der sich durch die tägliche Körperbewegung gelockert hatte, wieder festgebunden. Pater Moraes hatte ihm auszureden versucht, ihn länger zu tragen, und ihm erklärt, eine bestimmte Dosis freiwilligen
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