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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Deutsche Reich begonnen. Es hat sich 1934 in diesen Wettlauf eingeklinkt, dann mit einer industriellen Kraftanstrengung bis 1936 aufgeschlossen und 1937 überholt. Ab 1940 sind es dann wieder England, Amerika und Rußland, die Deutschland in der Flugzeugrüstung überrunden. So ist die Frage offen, wer hier wen bedroht hat. Es sieht so aus, als habe jede große Macht Europas irgendwann erwogen, eine andere anzugreifen – und sei es präventiv.

    England und die USA fahren ihre Flotten und die Luftstreitkräfte hoch, ehe die neue deutsche Luftwaffe für das Ausland sichtbar wird, und bevor die Regierungen beider Länder etwas von Hitlers Lebensraum-Idee erfahren können. Die drei Chancen, die Deutschland 1933 und 1934 bietet, die Flugzeugzahlen auszuhandeln und zu begrenzen, sind von den Siegermächten ausgeschlagen worden. Insbesondere Frankreich, das 1934 das Angebot zurückweist, Deutschlands Militärflugzeuge auf 50% der französischen zu beschränken, hat die Gelegenheit versäumt, Hitler zu einer Zeit einzubinden, in der sein Größenwahn noch nicht auf dem Dünger seiner späteren Erfolge wächst. Wenn Frankreichs Angst und Großmannssucht etwas geringer gewesen wären, hätte die deutsche Luftwaffe mit dem von Hitler angebotenen „Luftflottenabkommen" genauso für ein paar Jahre begrenzt werden können, wie die deutsche Flottenrüstung 1935.

    Die Heeresrüstung 1933 bis 1939

    Um an die Vorgeschichte anzuschließen, sei erwähnt, daß Reichskanzler von Papen im Oktober 1932 nach sechs ergebnislosen Verhandlungsjahren beschließt, die Reichswehr notfalls ohne Einigung mit den Siegermächten zu vergrößern, daß im November 32 der 2. Rüstungsplan der Reichswehr vorsieht, das deutsche Friedensheer auf 175.000 Soldaten zu erweitern und daß im Dezember 32 die Siegermächte im Völkerbund beschließen, dem Deutschen Reich in Rüstungsfragen die prinzipielle Gleichberechtigung einzuräumen. Kurz darauf treten mit Adolf Hitler und Franklin Delano Roosevelt zwei Politiker ins Rampenlicht der Weltgeschichte, die sich in zwei Punkten gleichen: beide müssen die hohe Arbeitslosigkeit in ihren Ländern beseitigen, und beide sind gewillt, ihre außenpolitischen Vorstellungen – wenn es denn sein muß – mit Kriegen durchzusetzen. Beide haben einen Hang zu Waffen. Beide Politiker beginnen sofort nach Amtsantritt damit, ihre Länder wieder aufzurüsten: Adolf Hitler landmachtorientiert mit Vorrang für das deutsche Heer, und Roosevelt seemachtorientiert – wie schon erwähnt – die amerikanische Marine.

    104
    Overy, Seiten 2lf

    In die gleiche Zeit fällt ein Ereignis, das jedermann in Deutschland an die früheren Einmärsche der Siegermächte in das Deutsche Reich erinnert. Am 6. März
    1933 landet Polen ein Bataillon Marineinfanterie im Freistaat Danzig 105
    . Der Völkerbund zwingt Polen, die Truppen nach zehn Tagen wieder abzuziehen. Doch was davon in Deutschland bleibt, ist der Eindruck, daß Polen noch immer Gelegenheiten sucht, sein Territorium nach Westen auszudehnen. Umgekehrt ist in Deutschland das Empfinden nicht erloschen, daß Gebiete, die bis 1919 fast nur deutsch bevölkert waren und ohne Volksabstimmung Polen zugesprochen wurden, bei Gelegenheit „zurückzuholen" sind. Der Reichsaußenminister und Friedensnobelpreisträger Stresemann drückt dies Empfinden 1925 mehrmals in Schrift und Rede aus, indem er sagt, daß es zu den großen Aufgaben der deutschen Außenpolitik gehöre, die Ostgrenzen des Reichs zu korrigieren. So ist die Reichswehrführung im Frühjahr 1933 zwar in Wirklichkeit noch weit davon entfernt, über einen Angriff gegen Polen nachzudenken, doch die Wunde, die Deutschland an Polens Grenze hat, wird mit dem Danzig-Vorfall wieder aufgekratzt. Es ist fast so, als sei Polen der Stichwortgeber für die Reichswehrführung.

    1933
    Die Sicherheitslage, in der sich Deutschland im Frühjahr 1933 befindet, ist so, daß die Reichswehr auf ähnliche Herausforderungen wie die Polenlandung in Danzig auf der Westerplatte nicht reagieren könnte, falls sie auf deutschem Hoheitsgebiet passieren würden und wenn die vielen Militärbündnisse, die Frankreich gegen das Deutsche Reich geschlossen hat, dabei gegen Deutschland angewendet werden würden. Frankreich hat seit 1920 ein Netz von Bündnissen mit Belgien, Polen und der Tschechoslowakei geknüpft, die ausdrücklich Militäraktionen gegen das Deutsche Reich zum Inhalt haben. Zudem stehen der Reichswehr seit 1931 keine ausgebildeten Reservisten

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