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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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    tere Verfolgung dieser deutschen Pläne, insbesondere insoweit sie die
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    Rückkehr Danzigs zum Reich beträfen, den Krieg mit Polen bedeutet."
    Die polnische Regierung erklärt hier und mehrmals später, daß Polen bei einem Anschluß Danzigs Krieg mit Deutschland führen werde. Sie schafft den Anlaß für den Krieg, indem sie ein lokales, nicht kriegswürdiges Problem, bei dem nicht einmal polnisches Territorium betroffen ist, zum Kriegsanlaß erklärt. Ohne diese vorgezogene Kriegserklärung hätte die Danzig-Frage zu weit geringeren

    Documents Brit. Foreign Policy, Third Series, Volume VI, Document 368 IMT-Dokumente, Band XLI, Dokument 208

    Kosten geregelt werden können. Polen verlangt ab März 1939 als Preis für Danzig Krieg. Dies ist Polens erster großer Beitrag zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939.

    Der zweite große Beitrag Polens zum Kriegsausbruch ist seit langem im Umgang der Polen mit ihren nationalen Minderheiten angelegt. Trotz aller Minderheitenschutzverträge, die geschlossen, gekündigt und meist nicht beachtet werden, ist das Los der Deutschen, Weißrussen und Ukrainer in Polen derart hart, daß die Heimatstaaten dieser Minderheiten fast immer einen Anlaß hatten, zum Schutz der in Polen Unterdrückten einzuschreiten. Ab Mai 1939 nehmen die Verfolgungen und Drangsalierungen der Minoritäten wieder in einer Weise zu, daß eine neue vertragliche Absicherung der Menschen- und Bürgerrechte der deutschsprachigen Bürger Polens unaufschiebbar wird. So überlagert die deutsch-polnische Minderheitenfrage zum Schluß das DanzigKorridor-Problem und gibt ihm eine eigene, gefährliche Dynamik. Hitler kommt damit unter einen Zeitdruck, der allein mit Danzig und dem Korridor so nicht entstanden wäre. Polens Art, mit seinen 10 Millionen Bürgern fremder Muttersprache umzugehen, ist der Brandbeschleuniger zum Ausbruch des Krieges am 1. September 1939.

    Der Beitrag der Sowjetunion zum Kriegsausbruch

    Die Außenpolitik Sowjetrußlands nach dem Ersten Weltkrieg hat offensichtlich mindestens drei Wurzeln, und diese sind zum ersten strategische Traditionen als Erbe aus der Zarenzeit, zum zweiten ein Weltmissionswille als Ergebnis der bolschewistischen Revolution und drittens der Drang zur Wiederherstellung von Rußlands alter Größe als Folge des verlorenen Ersten Weltkriegs.

    Als erste wird die letztgenannte Wurzel sichtbar. Rußland erleidet zum Ende des verlorenen Krieges viele Landverluste, ähnlich Deutschland, Österreich-Ungarn und dem Reiche der Osmanen. Finnland, die drei Baltenrepubliken und große Teile Weißrußlands und der Ukraine werden souveräne Staaten oder polnische Gebiete. So wohnt der neuen Sowjetunion ein Antrieb inne, sich Gebiete wieder anzueignen, die im alten Zarenreiche unter Rußlands Krone standen. Hier ist der Grund zu suchen, daß sich die Sowjetunion 1939 mit Erfolg bemüht, „Ostpolen" entweder indirekt auf dem Wege einer Kriegsallianz mit Großbritannien und Frankreich wiederzugewinnen, oder direkt mit der Hilfe Deutschlands. Auch die Finnen, die Balten und die Bessarabier werden 1940 mit der indirekten Hilfe Deutschlands wieder „russisch".

    Die Wurzel, die als zweite nach außenhin erkennbar wird, ist die staatstragende Idee der Sowjetunion, der Bolschewismus oder Kommunismus. Diese Klassenideologie wird in Sowjetrußland als Befreiungslehre für unterdrückte Gesell schaftsschichten und für kolonial gehaltene Völker aufgefaßt. Von dieser Lehre geht eine Missionspflicht gegenüber den ausgebeuteten Menschen in den kapitalistischen Staaten und in den Kolonien aus. Lenin hat diesem Missionsdrang mit der Idee vom „Endsieg des Sozialismus über den Kapitalismus" durch eine „Revolution im Weltmaßstab" ein außenpolitisches Ziel gesetzt, dem eine große Sprengkraft innewohnt. Dies Ziel bedroht Gesellschaften und Staaten mit anderen Weltanschauungen. Der Konfliktstoff „Ideologie" wird allerdings erst nach dem Zweiten Weltkrieg zur direkten Bedrohung der kapitalistischen Staaten und Kolonialmächte. Vor dem Krieg entzweit der Unterschied der Weltanschauungen nur die Sowjetunion und Deutschland ab 1933. Hitlers Nationalsozialismus als Konkurenzmodell zum Kommunismus wirkt aggressiver auf den sowjetischen Bolschewismus als die bis dahin eher indifferenten Lebens- und Gesellschaftsideen in den anderen kapitalistischen Staaten. So leben das Deutsche Reich und die Sowjetunion seit 1933 in steter latenter Gegnerschaft, allerdings ohne
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