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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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daß das den Zweiten Weltkrieg auslöst.

    Zum Kriegsausbruch trägt der Gegensatz zwischen Kapitalismus und Kommunismus jedoch in indirekter Weise bei. Stalin ist 1939 bereit, an einem Kriege teilzunehmen, um „Ostpolen" wiederzugewinnen. Das ist die Oberfläche. Darunter liegt als zweite Schicht sein Wille, mit einem neuen Kriege in Europa die Gesellschaften in den kapitalistischen Staaten durch Kriegselend und Kriegsfolgen zu verändern und sie für die Idee des Kommunismus empfänglicher zu machen. Die zwei Ziele Stalins 1939 sind auf kurze Sicht „Ostpolen" und aufweite Sicht die Ausbreitung des Kommunismus in Westeuropa. So setzt er zunächst auf das „Pferd" der Briten und Franzosen, die seine Waffenhilfe brauchen. Er ködert beide mit dem Angebot von 120 Divisionen für einen weiteren Krieg mit Deutschland. Er bestätigt sie darin, statt Danzig an das Deutsche Reich zurückzugeben, lieber einen Krieg zu wagen. Als Polen diese Art von Kriegsallianz zunichte macht und als erkennbar wird, daß die Briten und Franzosen den Sowjets die Hauptlast dieses Krieges überlassen wollen, setzt Stalin auf das „Pferd" der Deutschen. Er sichert Hitler Handlungsfreiheit zu, läßt sich – wenn auch nur verschlüsselt – im Geheimen Zusatzprotokoll die Rückeroberung der verlorenen Randgebiete des alten Zarenreichs genehmigen und streicht dann ohne eigene Opfer „Ostpolen" ein.

    Doch Stalins Rechnung geht zunächst nicht völlig auf. Der deutsche Feldzug gegen Polen ist zu schnell beendet, und es kommt 1939 nicht zu dem erhofften Erschöpfungskrieg der kapitalistischen Staaten Deutschland gegen Frankreich England. So sind am Ende der Auseinandersetzung um Polen weder die Menschen in den kapitalistischen Staaten reif für eine bolschewistische Revolution, noch kann die Sowjetunion – wie Lenin das vorausgedacht hat – als letzte starke Großmacht in Europa die kapitalistischen Staaten „an der Gurgel packen", um bei Lenins Bild zu bleiben. Dazu muß die Sowjetunion noch einmal die Seite wechseln und selber furchtbar bluten.

    Die dritte Wurzel, von der zuvor die Rede war, ist Rußlands strategische Tradition. Peter der Große hat damit begonnen, Rußland zu einer Seemacht auszubauen. Über ein Jahrhundert sind die Expansionsinteressen des Zarenreichs gegen die Interessen der Japaner in Fernost, der Briten im Mittleren Osten und der Osmanen am Ausgang des Schwarzen Meeres gestoßen. Der Drang zu größerer Weite und zum Handel auf den Meeren hat in Rußland eine lange Tradition. Da hinzu gesellt sich nun der Wille, in den Kolonien fremder Staaten politisch auf die Massen Einfluß zu gewinnen. Handel, Machtentfaltung und „Missionsdrang" brauchen offenen Zugang zu den Meeren und dazugehörend eine Flotte. So beginnt Stalin 1935, die Sowjetunion wieder zu einer Seemacht ersten Ranges mit einer großen Kriegsmarine aufzubauen. Zugang zum Atlantik in Europa bieten die eisfreien Häfen Finnlands und der Baltenstaaten. Da liegt es in der Tradition der Strategie der Russen und in der Logik ihrer Flottenpolitik, daß sie eigene Ostseehäfen brauchen. So muß Stalin dafür sorgen, daß die territoriale Nachkriegsordnung in Europa eine Änderung erfährt. Dazu braucht er die Billigung oder die Lähmung der großen Staaten in Europa, und die erkauft er sich mit Allianzversprechen bei den Briten und Franzosen und dann bei den Deutschen. Auch bei den Verhandlungen mit den Engländern und Franzosen hatte sich Stalin die Interventionsrechte gegenüber Finnland, Estland, Lettland, Litauen, Polen und Rumänien als Gegenleistung für seine Waffenhilfe gegen Deutschland zusichern lassen. Stalin will die für Sowjetrußland angestrebten Territorialgewinne im Schatten eines Kriegs erreichen, den Briten, Deutsche und Franzosen miteinander führen. Zu diesem Zwecke kommt der Streit um Danzig und die deutsche Minderheit in Polen gerade recht. Stalin hält seine Gedanken für ein Geheimes Zusatzprotokoll, das ihm „Ostpolen" und die Baltenstaaten sichern soll, so lange vor Hitler und von Ribbentrop geheim, bis diese mit dem Rücken an der Wand den Handel unterschreiben oder vor den Polen weichen müssen.

    Die sowjetische Führung versucht kein einziges Mal, bei den Differenzen zwischen den Deutschen und den Polen zu vermitteln und damit dem Frieden eine Chance zu geben. Stalin setzt von Anfang an auf einen Krieg, von dem er annimmt, daß er die territoriale Ordnung Osteuropas zum Vorteil der Sowjetunion verändert.

    Der Beitrag der USA
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