Der Krieg der Zwerge
ein steinerner Himmel schwebt und an dem Edelsteine funkeln«, berichtete sie. »Wenn es dich zum Wasser zieht, kannst du an einem See bauen; hast du Hunger, reicht es, die Rute aus dem Fenster zu werfen. Die Fische beißen von selbst an.«
Er versuchte sich die Städte vorzustellen, doch es fiel ihm schwer. Eines war gewiss: Myr hatte in der Mehrzahl gesprochen, demnach gab es mehr als eine Siedlung der Freien. »Ich wüsste gern, wie viele …«
Sie lachte, stand auf und streckte ihm die Hand hin. »Ich habe dir schon viel zu viel von unseren Geheimnissen enthüllt. Komm, wir gehen zurück. Die anderen machen sich sicher Sorgen. Du wirst es bald selbst sehen.«
Tungdil fasste ihre Hand und ließ sich von ihr aufhelfen. Überrascht stellte er fest, dass sie mehr Kraft besaß, als es den Anschein hatte. Wer Bücher schleppt, kann so schwach nicht sein.
Als sie ans Feuer traten, nickte ihnen Boïndil zu, der Wache hielt.
Tungdil ging zu ihm und schloss ihn kurz, aber kräftig in die Arme. Der Krieger klopfte ihm erleichtert auf die Schulter und freute sich, dass ihm seine Worte verziehen waren. »Wenn ich den Käse gegessen habe, rede ich dummes Zeug«, brummte er. »Siehst du mich den Käse kauen, gib nichts auf das, was ich anschließend sage.«
Tungdil lachte. »Ich merke es mir, Boïndil. Vergeben und vergessen.« Er legte sich neben dem Feuer zur Ruhe und schaute zu Myrmianda, die ihn durch die Flammen hindurch beobachtete und ihm ein Lächeln zuwarf, wie es Balyndis vor nicht allzu langer Zeit getan hatte.
Das Geborgene Land, das Graue Gebirge vor dem Reich der Fünften, 6234. Sonnenzyklus, Frühling
Der Ork sprang über einen Felsquader in Deckung, streckte die flache Nase in den Wind, der von Norden her über die Berge wehte, und witterte lautstark in Richtung des großen Durchgangs.
Die Brise trug ihm nichts zu, wovor er sich fürchten musste.
Er hob den Kopf weiter und lugte über die Kante des Brockens. Die Flügel des Portals standen einladend offen, weit und breit war nichts von einer Wachmannschaft zu sehen, die sich ihm in den Weg stellen oder bei seinem Auftauchen Alarm schlagen könnte.
Grunzend erhob er sich und ging zwischen Felsen und Mauertrümmern hindurch, geradewegs auf das riesige Tor zu, das den einfacheren Weg in das Reich der Unterirdischen bot.
Weil ihr Fürst Ushnotz den bekannten Pfad zum Steinernen Torweg über den Pass verschmähte, hatten sie eine zweite Möglichkeit gesucht, und er war als Erster von allen Spähern fündig geworden. Er ging auf den Eingang zu; achtlos trat er in die Schmelzwasserpfützen, die sich überall auf dem Untergrund gebildet hatten, und schnupperte vorsichtig hinein, ob er nun eine frische Spur von Unterirdischen roch.
Seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. Er nahm sein Rufhorn, wandte sich um und blies fest hinein, damit man sein Signal noch in weiter Ferne hörte.
Es wurde sogleich beantwortet. Ushnotz gab ihm den Auftrag, auf sein Eintreffen zu warten und den Eingang weiter zu sichern.
Der Ork dachte nicht daran, auf seine verdiente Rast zu verzichten. Schließlich war er der Glückliche, der dem Heer einen schweren Aufstieg und einen Marsch durch Schneefelder und über Gletscher hinweg bis zum Tor ersparte.
Zufrieden quiekend setzte er sich auf einen Stein, der im Schatten des Grauen Gebirges lag, und wühlte in seinem Rucksack herum, bis er das grobe Jutetuch fand. Darin hatte er die Reste des Fleischlings eingewickelt, den er unterwegs bei einer zufälligen Begegnung erschlagen hatte. Da der Mann recht groß gewesen war und er ihn nicht an einem Stück hatte verspeisen wollen, hatte er sich die Unterschenkel als Proviant mitgenommen. Dass das Fleisch bereits stank, störte ihn nicht weiter. Es machte den Geschmack sogar noch besser.
Seine Hauer gruben sich in die Beute und rissen einen großen Fetzen heraus. Genießerisch grunzend kaute er darauf herum und schlang ihn hinunter.
Dabei erinnerte er sich noch einmal an die Schlacht, die sie gegen die Menschen in Gauragar geschlagen hatten. Das Schwarze Wasser hatte ihn und seine Freunde unbesiegbar werden lassen, das hatten die Soldaten, die sich ihnen in den Weg gestellt hatten, ganz schnell erfahren. Es war ein Leichtes gewesen, über die Barrikaden der Rotbluter zu gelangen, ihre Reihen aufzubrechen und sie zu vernichten. Seit langem hatte es genug Essen für das ganze Heer gegeben.
Wieder biss er in den Unterschenkel, doch die Gier war zu groß. Das nächste Stück steckte in seinem Schlund
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