Der Krieg der Zwerge
weshalb wir ausgezogen sind.«
Die leisen Unterhalt ungen ihrer Eskorte verstummten. Myr, die bei den Heilern saß und ihnen soeben etwas erklärte, schwieg ebenfalls und blickte herüber.
Tungdil passte nicht, was sich da anbahnte. Ingrimmschs feuriges Wesen brach hervor, er redete sich in Rage und hatte zu lange schon keinen Gegner mehr vor der Klinge gehabt, an dem er den Tod ihrer Begleiter rächen konnte. Außerdem fühlte Tungdil sich jetzt, wo der Zwilling ihm sein Herz ausgeschüttet hatte, tatsächlich ein wenig schuldig.
Boïndil biss herzhaft in den Käse und brach dabei ein Stück Holz mit ab, das er einfach mitkaute, so sehr regte er sich auf. »Ich wundere mich, Tungdil. Ich wundere mich, wie schnell du vergessen kannst.«
»Du hast mir selbst den Rat gegeben«, widersprach er ihm lahm.
»Du solltest vergessen, dass Balyndis deine Gefährtin werden wollte, aber nicht alles andere«, herrschte der Zwilling ihn an und sah überhaupt nicht ein, leiser zu reden. »Es ist deine Pflicht …«
»Meine Pflicht? «, brauste Tungdil auf. »Ich habe es satt, ständig etwas über Pflichten zu hören, Boïndil. Jeder nahm mich in die Pflicht, LotIonan, der alte Großkönig, die Zwerge, das Geborgene Land. Damit ist Schluss! Ich entscheide von heute an, was ich tun will und was ich schwöre, niemand sonst, kein Clan, kein Stamm, keine Familie …«
»Ho, so ist das also? Du warst wohl schon zu lange bei den Mördern und Ausgestoßenen, was? Du hast leicht reden«, redete Ingrimmsch dazwischen. »Du hattest das alles nicht. Du bist kein …« Er biss rasch auf das Stöckchen, um zu verhindern, dass er noch weitere Dummheiten von sich gab. Fest kaute er darauf herum, und es knackte hörbar.
Doch es war zu spät, Tungdil wusste sehr gut, worauf der Krieger hinauswollte. Seine Augen funkelten ihn an. »Sag es doch, Boïndil. Trau dich und sag mir ins Gesicht, was viele andere auch denken.« Als keine Antwort kam, fuhr er fort: »Der Held des Schwarzjochs ist ein Dritter, ein Zwerg, der bei Menschen aufwuchs, eine Absonderlichkeit, die durch merkwürdige Geschicke eine größere Rolle spielte, als es ihr zustand.« Er wandte sich dem Feuer zu. »Ihr vergesst dabei, dass mich der Großkönig und Balendílin in die Sache hineingezogen haben. Ohne sie wäre alles ganz anders gekommen. Dann müsstet ihr euch nicht mit mir beschäftigen, und ich wäre heute ein fahrender Zwerg, der seine Schmiedekünste den Menschen gegen Geld anbietet. Oder einer von den Freien!«
Boïndil taten seine Worte Leid. »So habe ich es nicht gemeint«, versuchte er seine unbedachte Äußerung zu erklären. »Ohne dich würde das Geborgene Land Nôd'onn gehören …« Er rang nach Worten. »Am besten, wir vergessen den Unsinn«, schlug er bittend vor. »Lass uns so tun, als hätte ich nichts gesagt, Gelehrter.«
Tungdil lächelte traurig und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Es war kein Unsinn, Boïndil. Du hast wahr gesprochen. So wahr wie ich.« Er stemmte sich in die Höhe und ging weg vom Feuer. Der Zwilling wollte ihm nach, doch Myrmianda gab ihm ein Zeichen, dass er bleiben und sie gehen lassen sollte.
Sie fand ihn unter einem Baum, er spielte mit einem Kiesel, den er gefunden hatte. »Es scheint nicht leicht zu sein, ein Held zu sein«, sagte sie und setzte sich neben ihn. »Du hattest eine Gefährtin, die du nicht an deiner Seite haben durftest, habe ich das richtig verstanden?«
Er seufzte. Jetzt wird sie alles falsch verstehen. »Ja, Myr, es stimmt. Sie heißt Balyndis Eisenfinger, und bis vor wenigen Sonnenumläufen habe ich geglaubt, mit ihr den Ehernen Bund einzugehen und bis zum Ende aller Sonnenaufgänge im Grauen Gebirge zu leben«, gestand er ihr.
»Aber sie folgte den Traditionen und beugte sich dem Willen des Clans«, erahnte sie. »Dein Herz wird den Kummer überstehen, Tungdil.« Ihre Hand langte nach dem Kiesel, wie zufällig berührten sich ihre Finger. »Wenn ich ihm dabei helfen kann, lass es mich wissen«, raunte sie, erst dann löste sie ihre Finger von den seinen.
»Myr … ich …« Tungdil fühlte das gleiche Kribbeln im Magen, wie es sich einstellte, wenn die Loren in den Tunneln eine steile Bahn hinabschossen und der Fahrtwind durch die Eingeweide zog.
Sie hockte sich vor ihn, legte den schlanken Zeigefinger auf seine Lippen. »Ich bin niemandem versprochen, Tungdil, ich bin frei in meiner Entscheidung, und ich habe keinen Zwerg kennen gelernt, der ein solches Wissen hat wie du. Du fesselst mich mit deiner Art,
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