Der Krieg der Zwerge
schlug schneller, und die Wut kochte hoch. Sie zwang sich zur Ruhe, damit ihre albische Natur nicht durchbrach und sie verriet.
»Ich habe etwas«, rief Andôkai plötzlich. Gehorsam kam Narmora herüber. »Vor knapp siebzig Zyklen haben sich Siedler in Gastinga niedergelassen, die angaben, aus dem Jenseitigen Land zu stammen. Ihre Kinder und Enkel müssten noch leben.« Sie rief den Verwalter zu sich und ließ sich erklären, wie lange man reiste, um zu dem Ort zu gelangen.
»Das Dorf liegt auf dieser Insel«, sagte er. »Ihr werdet übermorgen dort sein, ich gebe Euch einen meiner Bediensteten mit, der Euch führen wird.«
»Hervorragend«, rief sie zufrieden. »Samusin stand uns bei und belohnte uns für die lange, beschwerliche Reise nach Weyurn mit einem raschen Erfolg.«
Der Mann räusperte sich warnend. »Auch wenn das Heiligtum nicht mehr für Riten genut zt wird, bitte ich Euch dennoch, Palandiell zu ehren und dort nicht den Namen eines anderen Gottes zu nennen.«
Langsam drehte sie ihm ihr kantiges Gesicht zu. »Ich nenne den Namen meines Gottes, wann immer und wo immer ich will. Durch seine Gnade und seinen Beistand habe ich den Angriff Nôd'onns überstanden, und durch seinen Beistand wurde das Geborgene Land gerettet. Diejenigen unseres Zirkels, die sich auf andere Götter beriefen, mussten sterben. Wem also gebührt die größere Ehre? Samusin oder Palandiell?« Sie breitete die Arme aus. »Ihr habt das Heiligtum aufgegeben und es mit Papieren voll gestopft, sodass kein Platz mehr für die Göttin bleibt. Ihr habt damit begonnen, sie nicht mehr zu ehren, nicht ich.« Andôkai ließ ihn stehen und stieg die Stufen hinab. »Ich will in einer Stunde abreisen. Veranlasse, dass unser Führer pünktlich zur Stelle ist.« Die Absätze ihrer Stiefel knallten hart auf die Dielen.
Narmora hob wortlos die Augenbrauen, um dem in sich zusammengesunkenen Verwalter zu zeigen, dass sie es nicht ganz so sah, und folgte der Maga.
»Ich werde nach Dorsa sehen«, sagte sie und bog zu ihren Gemächern ab. »Vielleicht hat Rosild noch nicht damit angefangen, ihre Sachen aus den Truhen zu räumen.«
Ohne die Erlaubnis abzuwarten, hastete sie den gewölbeähnlichen Korridor entlang, durch den einst die Priester Palandiells gewandelt waren, ehe Königin Wey ihnen einen neuen Tempel geschenkt und den alten zu ihrem Archiv erklärt hatte.
Sie fand ihre Tochter an der Brust von Rosild, der Amme, welche Andôkai für die Reise angeheuert hatte. Sie war eine noch recht junge Frau mit dicken Brüsten und reichlich Milch für das kleine, zerbrechliche Wesen. Es blieb Narmora ein Rätsel, wie sie Rosild dazu gebracht hatte, ihre Familie und ihr eigenes Neugeborenes in Porista zurückzulassen. Vermutlich hat sie sie gezwungen, ahnte sie den Grund.
»Sie trinkt ordentlich«, berichtete Rosild stolz. »Und sie hat zugenommen, ich spüre es deutlich.« Sie drückte Narmora die Tochter in den Arm, und auch sie bemerkte das Gewicht. Die Amme kam näher und machte ein Gesicht, als wollte sie etwas Unangenehmes sagen. »Ist es Euch auch aufgefallen?«, druckste sie herum.
»Ja. Dorsa hat tatsächlich …«
»Nein. Nicht das.« Sie schob die Decke etwas zurück und legte das rechte Ohr des Mädchens frei. »Ich kann mich täuschen, aber es macht auf mich den Eindruck, als liefe es spitz zu. Es scheint so etwas wie eine Missbildung zu sein.« Sie schaute zu Narmora und erwartete eine Erklärung oder sogar ein Lob, dass es ihr aufgefallen war. »Man könnte die Enden jetzt stutzen, um ihr später Hänseleien zu ersparen«, redete sie weiter, nachdem von der Mutter nichts kam. »Ich kenne es von jungen Jagdhunden, denen man die Ohren kürzt, damit sie besser durch Höhlen …«
»Nein«, widersprach Narmora hart. »Niemand legt Hand an meine Tochter. Die … Missbildung wird sich sicherlich auswachsen.« Hastig legte sie das Tuch wieder um den kleinen Kopf. »Du wirst mit niemandem darüber sprechen, Rosild, hast du mich verstanden?« Die Amme nickte, und ihr Blick wanderte für einen Moment zum dunkelroten Kopftuch der Albin, unter dem sie ihre spitzen Ohren verbarg, dann senkte er sich auf den Steinboden. »Packe alles zusammen, wir reisen in einer Stunde weiter.«
Mit Dorsa auf dem Arm verließ sie die Unterkunft, um sich in die große Halle zu begeben, in deren Mitte ein großes Kaminfeuer in einer offenen Brandstätte prasselte. Narmora und ihre Tochter genossen die Wärme, die von den Flammen ausging und die Kühle der Gischt vertrieb.
»Wir
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