Der Kronrat (German Edition)
nur wenig kleiner als die schwarzen Riesenschiffe des Feindes, die uns einen solchen Schrecken eingejagt hatten.
»Schaut, wie scharf ihre Linien sind«, meinte Elgata fast ehrfürchtig. »Man kann förmlich sehen, wie sie durchs Wasser schneiden werden! Ich zähle allein drei große Ballistenplätze an jeder Seite und noch einmal vier für mittlere Ballisten. Könnt Ihr Euch vorstellen, wie es sein wird, diese Schiffe im Kampf zu erleben?«
»Ja«, sagte ich bitter. Ich erinnerte mich nur zu gut, wie es gewesen war, als die Schneevogel den Kampf mit einem ähnlichen Giganten aufgenommen hatte. Nur Glück und ungeheure Kunst im Umgang mit einer Balliste hatten uns den Sieg davontragen lassen, aber die Verluste waren groß gewesen.
»Solche Schiffe entstehen nicht über Nacht. Als wir ausliefen, wusste ich, dass neue Schiffe gebaut werden sollten, aber nicht, dass es solche Ungetüme sein würden.« Sie drehte sich aufgeregt zu mir herum. »Es dauert Monate, manchmal Jahre, solche Schiffe zu fertigen, und ich weiß beim besten Willen nicht, wie unsere Schiffsbauer das schaffen konnten. Kommandant Keralos muss von der Gefahr schon gewusst und sie ernst genommen haben. Aber das ist noch nicht alles. Überall im Hafen sind zwischen hohen Stangen stabile Netze gespannt, als würde man mit einer Bedrohung aus dem Wasser rechnen. Dann die anderen Schiffe hier im Hafen, seht Ihr? Viele sind beschädigt, aber an allen wird fieberhaft gearbeitet.« Sie schaute sich weiter im Hafen um und deutete dann auf zwei große Handelsschiffe, dickbäuchige Walfische, die im Schein großer Laternen entladen wurden. Sie waren anders geformt als die mir bislang bekannten Schiffe: Der Kiel war an Bug und Heck weit hochgezogen und endete in Schnitzereien, deren Form den Köpfen unbekannter Bestien glichen. »Das sind Handelsschiffe aus den Varlanden, und sie entladen Säcke voller Getreide.« Sie wandte sich uns zu. »Wir beziehen unser Getreide aus Bessarein und Aldane, nicht von den Varländern, weil sie davon zu wenig haben, um es günstig verschiffen zu können.«
Serafine räusperte sich, und ich blickte zu ihr hin. Ich konnte nur erahnen, wie es ihr erging, als sie diese Stadt nach siebenhundert Jahren wiedersah.
»Ich denke, ich kenne den Grund«, ließ sie uns mit ihrer weichen Stimme wissen. »Janas ist verwüstet, und damit auch der größte Hafen Bessareins. Aldanes Flotte ist in großen Teilen zerstört, und sie werden in diesem Notfall ungern ihre Kornreserven verkaufen wollen. Nur die Varlande werden noch liefern können. Und das zu einem hohen Preis.« Der Ausdruck auf ihrem Gesicht war schwer zu deuten, als sie weitersprach. »Korn, Havald. Korn und seine Preise! Darauf beruht der Frieden jeder Stadt. Wenn jeder genug zu essen hat, gibt es keinen Grund zur Unruhe. Aber wenn der Magen darbt und der Arme sieht, wie der Reiche fetter wird, während er sich selbst am Verhungern wähnt … dann wird es unschön. Dass sie teures Korn kaufen, ist kein gutes Zeichen.«
»Ich dachte, die Stadt würde selbst gute Ernten einfahren«, warf ich ein.
Sie trat an die Hecklaterne und fuhr mit ihrem Finger über ein Ornament, das einer der Seesoldaten nicht sorgfältig genug geputzt hatte. Sie zeigte mir den grauen Staub des Vulkans auf ihrer Fingerkuppe. »Das hier«, sagte sie, »verändert alles.«
»Da habt Ihr recht«, stimmte Elgata zu. »Es wird dauern, bis die Kornschiffe wieder fahren.«
»Das meinte ich nicht«, antwortete Serafine. »Wenigstens nicht allein. Noch immer ist der Himmel trüb, noch immer regnet Asche auf uns herab. In wenigen Jahren wird diese Asche in weitem Umkreis alles fruchtbar machen, doch die Ernte, die in Bessarein jetzt gerade auf den Feldern steht, wird darunter leiden. Ihr habt selbst die Botschaften gelesen. An manchen Stellen fiel der Ascheregen so dicht, dass er das Land unter sich begrub. Es sind die Küstenstreifen mit den feuchten Winden, in denen sich die meisten Felder befinden. Wenn der größte Teil der Ernte eingeht, wird es Hungersnöte geben.« Ihre Hände ballten sich zu Fäusten. »Mein Vater durchlitt schlaflose Nächte bei dem Gedanken. Und das war zu einer Zeit, als das Alte Reich noch bestand und weitaus größere Reserven hatte, als ich es mir für heute denken kann.« Serafines Vater war zu den Endzeiten des Alten Reichs Gouverneur von Gasalabad gewesen, und damals waren noch weite Teile des Landes mit Korn bepflanzt, dort, wo heute nur noch Wüste anzutreffen war.
»Dann
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