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Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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Monsieur Bertrand, in einem reichbesetzten, schwarzsamtnen Waffenrock, ein schwarzes Barett auf dem Kopfe mit wallenden schneeweißen Straußenfedern, die von einer mit jedenfalls unechten Steinen besetzten Agraffe gehalten wurden. Es war einehohe, männliche Gestalt, mit edlen Zügen, so weit sich diese nämlich unter dem nach vorn gerückten Barett und dem vollen dunkeln Bart erkennen ließen. Ernst und schweigend blickte der Reiter aber auf den Kopf seines Rappen nieder, der unter ihm sprang und tanzte; weder nach rechts noch links schaute er hinüber und schien die ihn umtobende, jauchzende Menge so wenig zu hören, als ob er allein durch eine Wüste ritte.
    Den Gegensatz zu ihm bildete ein wunderschönes Weib an seiner Seite. Eine wahrhaft junonische Gestalt, mit Augen voll Glut und Leben und in feuerfarbene goldgestickte Seide gekleidet, bändigte sie den wilden Fuchs, den sie ritt, doch mit der kleinen Hand so kräftig und hielt ihn so fest im Zügel, daß er seinen Platz innehalten mußte, er mochte wollen oder nicht. Dabei neigte sie sich mit holdem Lächeln bald hier, bald da hinüber, einem oder dem andern der Grüßenden zu danken, und nichts entging dem scharfen Blick der kühnen Reiterin.
    Die Gesellschaft, die bis dahin in der Veranda des Cafés gesessen, war aufgestanden, um den Zug besser übersehen zu können, und Komtesse Melanie sagte jetzt: »Das ist die sogenannte schöne Georgine, die Frau des Seiltänzers. Sehen Sie nur, Herr Graf, wie sie so keck nach uns herüberschaut.« Ihr Nachbar erwiderte kein Wort, und als sie sich erstaunt nach ihm umwandte, hielt er den Blick fest und starr auf die Gruppe geheftet – ja, es schien ihr fast, als ob alles Blut seine Wangen verlassen hätte.
    »Ei, ei, Herr Rittmeister!« flüsterte die schöne Komtesse, während ihr ein Gefühl durch das Herz zuckte, von dem sie sich selber keine Rechenschaft geben konnte oder wollte, »wie mir scheint, haben Sie dort drüben eine alte Bekanntschaft entdeckt.«
    »Ich glaubte es im Anfang, Komtesse, aber ich habe mich geirrt. Es war nur eine Ähnlichkeit, wie man sie ja so oft im Leben findet.«
    Wildes Jauchzen und Geschrei, sowie Lachen und Jubeln der Masse übertönte in diesem Augenblick seine Worte, denn hinter dem Zuge, der gerade jetzt vorüber war, kam der Hanswurst der Truppe in buntscheckigem Anzug, die weiße spitze Filzmütze auf dem Kopf, das Gesicht auf die grellste Weise bemalt, auf einem kleinen Pony nachgeritten. Auf diesem aber führte er die groteskesten Künste aus: bald stand er auf dem Kopf, bald überschlug er sich, bald war er unten und fuhr mit seiner Pritsche unter die kreischend zurückdrängende Straßenjugend, während er im nächsten Augenblick wieder rittlings auf seinem Tiere saß und den Nachspringenden Gesichter schnitt. Das Volk schrie undjauchzte dabei vor Vergnügen, und selbst die in dem Gedränge mitgehenden Polizeidiener vergaßen für kurze Zeit ihren sonstigen Ernst und lächelten.
    Mit dem Hanswurst wogte aber auch der Menschenschwarm vorüber, und wie die Trompeten in weiter Ferne verklangen, nahm die Straße wieder ihren früheren ruhigen Charakter an. Ein paar Freundinnen der Komtesse Melanie, die sich ebenfalls vor dem Gedränge hierher geflüchtet hatten, beschäftigten die junge Dame jetzt vollkommen, da es galt, den Besuch der heutigen Vorstellung Monsieur Bertrands zu bereden. Außerdem ging das sehr interessante Gerücht, das die beiden Damen mitbrachten, der tollkühne Mensch habe sich erboten, zwischen den Türmen der Katharinenkirche ein Seil zu spannen und dort oben seine Künste zu zeigen. Der Magistrat hätte es aber bis jetzt noch nicht gestattet, und man glaubte, er wolle sich deshalb an den Fürsten selber wenden.
    Der Kriegsminister von Ralphen, der versprochen hatte, seinen Töchtern hier zu begegnen, kam jetzt ebenfalls die Straße herunter und ging, als er den Rittmeister von Geyerstein erkannte, auf ihn zu, um ihn zu begrüßen.
    »Ach, Papa,« bat die Komtesse Rosalie, die sich schmeichelnd an seinen Arm hing, heut' abend ist die erste Vorstellung Monsieur Bertrands im Zirkus, und es soll so hübsch werden. Dürfen wir hin?«
    »Recht gern, mein liebes Kind,« sagte der alte Herr freundlich, indem er ihre Stirn streichelte, »und deine Mutter wird euch gewiß begleiten. Ich selber bin leider durch eine Sitzung verhindert, die meine Zeit wenigstens bis neun Uhr in Anspruch nimmt, und doch möchte ich euch nicht gern ohne männlichen Schutz an solchem

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