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Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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sollte verboten werden, solch entsetzliche Kunststücke öffentlich zu zeigen,« sagte Melanie. Graf Geyerstein zuckte mit den Achseln.
    »Ja und nein,« sagte er dabei. »Wir wissen dann nur nicht, wo wir die Grenzen ziehen sollen, die der Polizei gestatten, in das Privatleben bürgerlichen Erwerbs einzugreifen. Solange Seiltanzen und Kunstreiterei erlaubt bleibt, wird es unmöglich sein einen Maßstab anzulegen, welches von ihnen für den Ausführenden gefährlicher – für den Zuschauer peinlicher ist. Das Publikum allein hätte es in seiner Gewalt, sich solche Schau zu verbitten, aber die große Mehrzahl verlangt derartige Produktionen, ja läuft gerade dem Unnatürlichsten und Widerlichsten am meisten nach. Doch, Gott sei Dank, es ist vorüber, und der tollkühnste Ritt der Gesellschaft wird uns nach dieser Schau wie Spielerei erscheinen.«
    Der Jubel der Zuschauer, als die beiden jungen Athleten den Schauplatz verlassen hatten, legte sich eben, als jener Stallmeister mit einer halbkreisförmigen Verbeugung anzeigte: Madame Georgine Bertrand und Monsieur Bertrand! – Bajazzo benutzte diesen unbewachten Augenblick, seine klappernde Pritsche auf den hervorragendsten Teil desselben niederprallen zu lassen, und wenn der Scherz auch eben nicht zart war, wurde er doch von dem Publikum dankbar angenommen. Während der Stallmeister auf seinen Erzfeind vergebens einfuhr, sprengte das wunderschöne Weib des Kunstreiters und Seiltänzers in die Arena. Mochte nun die Beleuchtung und die vielleicht aufgetragene Farbe dem Gesicht der Frau diese jugendliche Frische geben, aber Georgine war wirklich schön, und ein lautes unwillkürliches »Ah!« entfloh den Lippen der Versammlung, als sie leicht geschürztund in ganz ähnlicher, nur weit brillanterer Kleidung wie »Mademoiselle Josefine« im Zirkus erschien.
    Ein paar junge Kavallerieoffiziere fingen an zu applaudieren, und das Einstimmen des Publikums war eine Huldigung, die man der lieblichen Erscheinung brachte. Madame Bertrand zeigte sich auch dankbar dafür. Ihre Bahn dahinfliegend, hatte sie fast für jeden ein Lächeln, wenn auch ein noch so flüchtiges, für jeden einen freundlichen Blick, eine halbversteckte Kußhand, mit der sie die Herzen gleichsam sichelförmig abschnitt oder mähte – denn zwei genügten für das ganze Publikum. Und wie sie dahinflog, siegesgewiß – siegesgewohnt! Das hochgeschürzte leichte Kleid im Winde flatternd, die Locken von dem Luftzug gelöst, mit den zarten Fußspitzen den Sattel kaum berührend, glaubte man wirklich, sie habe Flügel, und wäre kaum noch erstaunt gewesen, das Pferd unter ihr davoneilen und sie ihren Rundzug ohne dasselbe fortsetzen zu sehen.
    »Eine reizende Erscheinung!« flüsterte Melanie ihrem Nachbar zu, während Madame Bertrand ihr schnaubendes Tier am Eingange plötzlich parierte, daß es auf den Hinterbeinen herumflog und Front gegen die Mitte machte; wenn sie nur etwas weniger keck und zuversichtlich auftreten wollte!«
    Ihr Nachbar antwortete ihr durch ein langsames, kaum bewußtes Kopfnicken, und als sie ihr Auge zu ihm hob, sah sie, daß sein Blick fest und fast stier auf der Stelle haftete, an der die schöne Reiterin hielt. Ihre eigene Aufmerksamkeit wurde aber in dem Moment von ihm abgelenkt.
    »Monsieur Bertrand! Monsieur Bertrand!« ging der flüsternde Ruf durch die Reihen der Zuschauer, und als Melanie den Kopf dorthin wandte, sah sie, wie an Georginens Seite, in phantastischer, aber höchst geschmackvoll gewählter Tracht, der Reiter auf milchweißem arabischen Hengste hielt. Doch auch Graf Geyerstein bog sich jetzt zu ihr nieder und erwiderte auf die frühere Bemerkung seiner Nachbarin vollkommen ruhig: »Sie dürfen bei solchen Damen nicht sittsame Schüchternheit erwarten, Komtesse. Schon das Reiten selber bedingt eine gewisse Zuversicht, die Reiter oder Reiterin haben muß, um das Tier in der Gewalt zu halten. Wie viel mehr also hier, wo der Ritt für die Öffentlichkeit bestimmt ist und die Frau nur zu leicht jede zarte Weiblichkeit abschüttelt!«
    »Sie mögen recht haben,« sagte Melanie nach kurzem Zögern. »Aber gerade das Außergewöhnliche hat ja auch uns hierhergeführt. Wir wollen die Pferde und Menschen bewundern – uns wenigstens an ihnen ergötzen. Was kümmert uns das übrige!« Der junge Offizier sah die schöne Gräfin etwas erstaunt über diese Bemerkung an; Melanies Aufmerksamkeit schien aber wieder vollständig auf das Paar gerichtet, das jetzt mit außergewöhnlicher

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