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Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack: Roman (German Edition)

Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack: Roman (German Edition)

Titel: Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Hodder
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dem Bürgersteig zu ihm heraufkamen, das Rattern und Tuckern der Velozipedmotoren, der Ruf eines Straßenhändlers, das abgehackte Fluggeräusch eines Rotorstuhls, der über die Szenerie hinwegflog, ein bellender Hund, ein weinendes Kind, das Poltern und Zischen der Dampf-Pferde, das klappernde Hufgetrappel der echten Rösser, das heisere Lachen der Prostituierten.
    Er hörte Schritte auf der Treppe.
    Eine Frage stieg in ihm auf: »Was soll ich jetzt tun?«
    Ein leises Klopfen an der Tür.
    »Herein.«
    Mrs Angell trat mit einem Tablett in der Hand ein, auf dem sich ein Teller mit aufgeschnittenem Braten, Käse und ein Stück Brot befanden. Dazu eine Tasse mit Untertasse, eine Zuckerdose und eine Kanne Kaffee. Sie durchquerte den Raum und stellte das Tablett auf dem Beistelltisch neben Burtons Sessel ab.
    »Es ist ungewöhnlich kalt für die Jahreszeit, Sir, soll ich den Kamin anfeuern?«
    »Schon in Ordnung, das mache ich. Würden Sie einen Brief für mich aufsetzen?«
    »Selbstverständlich.«
    Die Haushälterin, die häufig kleine Schreibarbeiten für ihn übernahm, ließ sich an einem der drei Schreibtische des Raumes nieder, platzierte einen weißen Bogen Papier auf der ledernen Unterlage und griff nach einer Feder. Vorsichtig tauchte sie die Spitze ins Tintenfass und schrieb nach Burtons Diktat:
    Befinde mich in meinem Haus in London. Erwarte weitere Instruktionen. Burton.
    »Schicken Sie einen Läufer damit in die Downing Street Nr. 10, bitte.«
    Die alte Dame sah überrascht auf.
    »Wohin?«
    »Downing Street Nr. 10. Unverzüglich, bitte.«
    »Jawohl, Sir.«
    Sie verließ das Zimmer mit der Notiz in der Hand. Einige Augenblicke später hörte er, wie sie an der Eingangstür drei Pfiffe mit einer Pfeife ausstieß. Innerhalb einer halben Minute würde ein Hund an der Schwelle erscheinen – aller Wahrscheinlichkeit nach ein Windhund –, und Mrs Angell würde ihm, nachdem sie ihn gefüttert hatte, den Brief in den Fang legen und den Bestimmungsort nennen. Ein bestätigendes Schwanzwedeln, und der Läufer wäre auf und davon, auf direktem Weg in die Downing Street.
    Sie waren Bestandteil eines noch recht neuen Kommunikationssystems, diese bewundernswerten Hunde, die erste von der britischen Öffentlichkeit akzeptierte praktische Anwendung der Eugenik. Alle Hunde kamen mit dem Wissen um jede Adresse innerhalb eines 50-Meilen-Radius um ihren Geburtsort zur Welt und waren in der Lage, innerhalb dieses Bereichs Briefe zuzustellen – sie bellten und kratzten so lange an der Tür des Empfängers, bis der Brief entgegengenommen wurde. Nach jedem Auftrag trabte der Läufer durch die Straßen, bis er erneut drei Pfiffe vernahm.
    Die andere Hälfte des Systems bestand aus Botensittichen. Diese beeindruckenden Imitatoren beförderten gesprochene Nachrichten. Man musste nur ein Postamt aufsuchen und einem der Vögel eine Nachricht mit Empfänger und Adresse diktieren, und sofort flog das Tier zum entsprechenden Ohrenpaar.
    Ein Problem gab es allerdings, eine Sache, mit der sich die Eugeniker bereits von Anfang an herumschlagen mussten – ganz gleich, welche Modifikation sie an einer Spezies durchführten, jedes Mal schien es zu einem unerwünschten Nebeneffekt zu kommen.
    Die Sittiche jedenfalls verfluchten, beschimpften und beleidigten jeden, den sie trafen. So sah sich der Empfänger der Dienstleistung unweigerlich mit einer Nachricht konfrontiert, die großzügig mit Beleidigungen gespickt war, die nicht vom Absender stammten. Nichts, so schien es, konnte getan werden, um diesen Fehler zu korrigieren. Ursprünglich hatte man gehofft, jederHaushalt besäße bald seinen eigenen Sittich, aber es hatte sich schnell herausgestellt, dass niemand das ständige Gefluche im eigenen Haus ertragen konnte. Also war die Post eingesprungen, und mittlerweile besaß jede Niederlassung eine ganze Voliere dieser Vögel.
    Im Falle der Läufer bestand der Nachteil einzig in ihrem überwältigenden Appetit. Obwohl sie nur aus Haut und Knochen bestanden, benötigten die Hunde an jeder Adresse, die sie aufsuchten, eine beachtliche Mahlzeit. Und so sahen sich die Menschen, die den an sich kostenlosen Dienst in Anspruch nahmen, nicht selten mit der Tatsache konfrontiert, dass sie eine beträchtliche Summe in Hundefutter investieren mussten.
    Burton hörte, wie die Eingangstür ins Schloss fiel. Sein Brief war unterwegs.
    Er nahm einen weiteren Schluck Brandy und griff nach einem Stumpen – er hatte eine Vorliebe für starken, billigen

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