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Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack: Roman (German Edition)

Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack: Roman (German Edition)

Titel: Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Hodder
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müssen, um zu erkennen, dass wir selbst wirklich am Leben sind?«
    Der berühmte Entdecker seufzte und schüttelte den Kopf. Swinburne war jung – gerade mal vierundzwanzig – und besaß eine intuitive Intelligenz, die den älteren Mann ansprach; aber er war äußerst naiv.
    »Unsinnn, Algy! Lass nicht zu, dass dich diese Libertins hier mit ihren fehlgeleiteten Vorstellungen und ihrer erschreckend schlechten Logik in ihren Bann ziehen. Sie sind unverbesserlich entartet, vor allem unser lieber Milnes hier.«
    »Hah!«, rief Bendyshe von der anderen Seite des Raumes herüber. »So entartet ist Swinburne allemal! Hat eine Vorliebe für Schmerzen, weißt du? Steht auf den Kuss der Peitsche, stimmt’s?«
    Swinburne kicherte, zuckte zusammen und schnipste mit denFingern. Wie immer waren seine Bewegungen schnell, ruckartig, exzentrisch, als leide er an Veitstanz.
    »Stimmt. Ich bin ein Anhänger de Sades.«
    »Ein weitverbreitetes Leiden«, merkte Burton an. »Ich besuchte einmal ein Bordell in Karachi, wisst ihr – im Forschungsauftrag von Napier natürlich …«
    Die Versammlung brach in höhnisches Schnauben und Gelächter aus.
    »… und dort habe ich gesehen, wie man einen Mann bis zur Besinnungslosigkeit auspeitschte. Er hat es genossen!«
    »Köstlich!«, erschauderte Swinburne.
    »Mag sein, wenn einem der Sinn danach steht«, stimmte Burton zu. »Aber jemanden auszupeitschen ist eine Sache, Mord eine ganz andere!«
    Milnes setzte sich neben Burton und beugte sich zu ihm.
    »Aber Richard«, sagte er. »Fragst du dich nie, welch ein Gefühl der Freiheit es sein muss, wenn man einen Mord begeht? Es ist schließlich das größte Tabu, oder nicht? Brich es, und du befreist dich von den Fesseln der Zivilisation!«
    »Ich bin kein großer Freund der falschen Vergnügungen und heimtückischen Verdrängung der Zivilisation«, erwiderte Burton. »Und meiner Meinung nach muss Mrs Grundy mal ordentlich durchgevögelt werden; aber wie sehr ich die englische Kultur und Gesellschaft auch verfluche, Mord ist eine Angelegenheit, die tiefer geht, als beides.«
    Swinburne quietschte vor Begeisterung. »Ordentlich durchgevögelt! Bravo, Richard!«
    Milnes nickte. »So ist es, falsche Vergnügen und heimtückische Verdrängung. Vergnügungen, die versklaven, Verdrängung, die wertet. Wo bleibt die Freiheit, frage ich?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Burton. »Wie kann man eine so unendliche Vorstellung wie die der Freiheit überhaupt erfassen?«
    »Indem man die Natur betrachtet, mein lieber Junge! Die Natur mit ihren blutigen Zähnen und Klauen! Ein Tier tötet das andere;befindet man es für schuldig? Nein! Es bleibt frei, zu tun, was es will – und, soviel ist gewiss – wieder zu töten! Wie de Sade selbst sagte: ›Die Natur hat keine zwei Stimmen, wissen Sie, von denen die eine den ganzen Tag lang verurteilt, was die andere befiehlt.‹«
    Burton leerte sein Glas in einem Zug.
    »Sicher, Darwin hat gezeigt, dass die Natur ein grausamer und absolut gnadenloser Prozess ist, doch du scheinst eines zu vergessen, Milnes. Das Tier, das tötet, fällt in den meisten Fällen wieder einem anderen Tier zum Opfer, genauso wie der Mörder in einem angeblich zivilisierten Land für sein Verbrechen gehängt wird.«
    »Dann proklamierst du ein natürliches Gesetz des Rechts, in das wir hineingeboren werden und von dem wir uns niemals befreien können? Ein Gesetz, das für alle Kulturen gilt, ganz gleich auf welcher Stufe der Entwicklung sie stehen?«
    James Hunt, der vorüberging, um sich einem Gespräch zwischen Bradlaugh und Brabrook auf der anderen Seite des Raumes anzuschließen, blieb gerade lange genug stehen, um Burtons Glas wieder aufzufüllen.
    »Ja, ich glaube, ein solchen Gesetz existiert. Mich spricht die hinduistische Vorstellung von Karma mehr an als die katholische Absurdität der Erbsünde.«
    »Wie geht es Isabel?«, unterbrach Bendyshe, der sich zu ihnen gesellte.
    Burton ignorierte den Seitenhieb und fuhr fort: »Wenigstens bietet das Karma ein Gegengewicht – eine Strafe oder Belohnung, wenn man so will – für Taten, die wir wirklich begehen, und Gedanken, die wir wirklich denken, statt uns für die angebliche Sünde unserer Existenz an sich oder für ein Vergehen an einem zur Gänze konstruierten Diktat sogenannter Moral zu bestrafen. Es handelt sich eher um eine Funktion der Natur als um das Urteil eines unbewiesenen Gottes.«
    »Um Himmels willen! Stanley hatte recht, als er schrieb, du seist ein

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