Der kurze Sommer der Anarchie
Kraft und der Härte seiner Landsleute. Er war ein Mann vom Schlag der Padillas und der Pizarros, der alten Eroberer.
In Barcelona hat er viel gelesen, vor allem unsere anarchistischen Klassiker, Anselmo Lorenzo, Elisee Reclus, Ricardo Mella und vor allem Sebastien Faure, den französischen Philosophen des Anarchismus. Sein kultureller Horizont ist immer etwas beschränkt geblieben, doch hatte er immerhin eine ganz solide Basis. Übrigens war und blieb er ein Mann, der zu allem fähig war, wenn es um die Sache ging. Seine Ideen waren für ihn kein Zeitvertreib; er wollte sie in die Tat umsetzen. Das erklärt, was man spater seinen Heroismus genannt hat. Gewiß, er handelte aus dem Instinkt, er war vielleicht sogar ein Verblendeter, aber zugleich war sein Temperament das eines guten Menschen, und damit will ich sagen: seine erste und letzte Regung war immer die Solidarität.
Seine Reserven waren enorm, in jeder Hinsicht. Das zeigte sich zum Beispiel in den Gefängnissen, wo er immer denen zu helfen wußte, die resignierten, die sich fallenließen. Durruti kannte keine Depressionen, weder im physischen noch im moralischen Sinn. Ganz gleich, wie kritisch die Situation war, in der er sich befand, bei Streiks, im Straßenkampf, unter den Schlägen der Repression, er ist ihr immer mit Entschlossenheit begegnet, und sehr oft mit Erfolg. Und wo er gescheitert ist, war er nicht niedergedrückt. Er dachte sofort an die nächste Etappe, an den nächsten Versuch.
Wir reden hier die ganze Zeit von Durruti, als hätte es keine andern gegeben. Dabei haben wir Tausende von namenlosen Durrutis in unserer Bewegung gehabt. Die einen hat man gekannt, die andern nicht. Aber viele sind gefallen und niemand spricht von ihnen. Dabei waren sie nicht weniger mutig, nicht weniger entschlossen, und sie haben nicht weniger riskiert als Durruti oder Ascaso. Wie viele Genossen haben wir im Krieg verloren, wie viele sind 1919, 1920 gefallen, wie vielen hat die Unterdrückung unter Martinez Anido das Leben gekostet! Damals gab es wenigstens fünfhundert Gefallene. Das waren die Besten unter uns. Wenn wir uns darauf verlegen wollten, unsere Toten zu beklagen und zu verehren, hätten wir viel zu tun. Es ist besser, wenn wir uns ein Beispiel an ihnen nehmen und unsere Sache voranbringen, je mehr, je besser.
Ich glaube, eine andere Lösung gibt es nicht. Ganz gleich, ob wir viele oder wenige sind, wir haben die Vernunft und das Recht auf unserer Seite. In Wort und Schrift und durch die Tat müssen wir es jeden Tag von neuem beweisen. Aber unsere Veröffentlichungen erreichen die Massen nicht, die Auflagen sind klein, wir operieren im Exil, wir sprechen nicht die Sprache dieses Landes, unser Einfluß in Frankreich ist gering. Diesen Zustand müssen wir überwinden. Wir müssen über diese Schwierigkeiten hinauskommen.
Er hat für das gelebt, was er gedacht hat. Das ist eine wunder bare Sache. Manchmal beneide ich ihn. Sein Leben war ein richtiges Leben. Ich glaube nicht, daß es umsonst gewesen ist.
Natürlich, jetzt wo er tot ist, wollen alle ihn für sich reklamieren.
Solang er lebte, haben sie ihn gejagt wie einen Verbrecher. Jetzt findet sogar die Bourgeoisie etwas Gutes an ihm, und die Pfarrer wollen ihn einbalsamieren. Ein toter Revolutionär ist eben immer ein guter Revolutionär.
Colette Marlot
Ich weiß nicht, wenn er hier im Zimmer wäre, ich glaube, er würde uns das Maul stopfen. Er ließe uns nicht so reden, denn er war sehr bescheiden. Er hätte gesagt: »Sprich von der CNT, rede davon, was wir im Sinn haben, aber rede nicht von mir.«
Das hätte er gesagt, wenn er hier wäre.
Manuel Hernandez
Ja, Durruti war gutmütig und gewalttätig zugleich. Aber das ist kein Widerspruch. In dieser Lage sind wir alle. Unsere Ideen sind richtig, niemand hat sie widerlegen können. Wir haben mit den klügsten Leuten diskutiert, und am Ende haben sie uns jedesmal gesagt: Ja, eure Vorstellungen sind wunderbar, aber sie lassen sich nicht verwirklichen, sie sind utopisch.
Aber wir sagen, das ist nicht wahr, sogar hier und heute läßt sich ein Stück davon in die Tat umsetzen. Dabei müssen wir mit der Gewalt des Kapitalismus, dem Unterdrückungsapparat des Staates rechnen, und diese Gewalt existiert auch im Kommunismus weiter. Entweder wir danken ab oder wir bieten ihr die Stirn.
Wer aber der Gewalt die Stirn bietet, muß die Konsequenzen ziehen. Da mag einer noch so gutmütig sein, er muß doch kämpfen wie ein wildes Tier. Das ist ein aufgezwungener
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