Der Kuss der Sirene
nicht, ich habe dem Leben eines anderen Menschen ein Ende gesetzt. Dabei hatte ich mir geschworen, nie mehr zu töten. Nie. Die Macht des Wassers hat mir so viel genommen. Meine Hoffnung auf Erlösung war eine Täuschung. Jetzt bin ich wieder da, wo ich angefangen habe.
Es klopft an der Tür und ich zucke zusammen. »Alles okay?«
»Ja«, rufe ich schnell und bemühe mich um einen ruhigen Tonfall.
»Kannst du dann bitte rauskommen und mit mir reden?«
Ich seufze. Ich versichere mich mit einem Blick in den Spiegel, dass meine Augen nicht so schlimm aussehen, wie sie sich anfühlen, und gehe hinüber zu Cole.
Meine Nerven liegen blank. Cole sitzt auf der Bettkante, die Fernbedienung in der Hand. Der Monitor verbreitet ein bläuliches Flimmern. Cole trägt ein ausgewaschenes graues T-Shirt, sein dunkles feuchtes Haar fällt fast bis auf den Kragen.
Ich bleibe nervös am FuÃende des Bettes stehen.
Er schaltet den Fernseher aus und wirft die Fernbedienung beiseite. Jetzt dringt nur noch das Licht von der Veranda durch die Lücke zwischen den geschlossenen Vorhängen. Cole steht auf und kommt zu mir, legt den Arm um meine Schultern und drückt mich an sich.
Eine Welle der Erleichterung durchflutet mich. Ich lege meine Wange an seine Schulter und atme den frischen Geruch seiner Seife ein, denselben Geruch, der auch noch an meiner Haut haftet. Sein Körper ist warm und weich und ich fühle mich geborgen. Ich könnte den ganzen Tag so dastehen und den Schmerz in meinen Gliedern und in meinem Herzen einfach ausblenden.
Er tritt ein kleines Stück zurück und hebt meinen Kopf mit dem Finger leicht an. Als seine Lippen meine berühren, schlieÃe ich die Augen. Unter tausend Küssen und Berührungen lassen wir uns auf sein Bett fallen.
Aber diesmal ist es anders: Cole hat die Mauer in meinem Innern, die ich früher immer gespürt habe, eingerissen. Wir wälzen uns auf dem Bett, können die Hände nicht voneinander lassen. Kleidungsstücke fallen auf den Boden. Seine Lippen sind überall, meine Hände gleiten über seinen Körper.
Wir können nicht genug bekommen. Sind wir so voller Leidenschaft, weil wir dem Tod ins Auge geblickt haben? Unser Atem geht schwer. Cole dreht sich zu seinem Nachtschrank, streckt den Arm nach etwas aus und ich ziehe ihn beinahe zu mir zurück. Doch schon ist er wieder bei mir und legt sich auf mich. Als schlieÃlich nichts mehr zwischen uns ist, unsere Körper ganz nah beisammen sind, heiÃe Haut auf heiÃer Haut liegt, schlieÃen wir beide die Augen.
»Ich liebe dich«, flüstere ich, während meine Finger über seinen nackten Rücken streichen. Ohne Absicht kommen diese Worte aus meinem Mund. Wie ein Seufzer.
Er beugt sich hinab, legt seine Stirn an meine, sodass ich in seinen Augen lesen kann. Alles, was ich darin sehe, ist Rührung und Verlangen. »Ich liebe dich auch.«
Ich schlieÃe die Augen, um eine einzige Träne zurückzuhalten. Zum ersten Mal in meinem Leben fühle ich mich nicht einsam.
Mit einem Ruck wache ich auf.
Aufwachen .
Ich richte mich so hastig und unbeholfen auf, dass ich aus dem Bett falle und auch noch die Decke mitziehe.
Puls und Atem rasen um die Wette und ich kann nichts hören als den Güterzug in meinen Ohren. Ich blinzle immer wieder und versuche in der Dunkelheit etwas zu erkennen.
Im nächsten Augenblick ist Cole bei mir und hilft mir auf. »Was ist los?«
Meine Stimme ist nur noch ein Flüstern. »Ich habe geschlafen.«
»Was?«
»Ich habe geschlafen«, sage ich etwas lauter, aber noch immer mit brüchiger Stimme. Cole bringt mich zurück ins Bett und ich setze mich auf die Bettkante. Der Wecker auf seinem Nachtschrank zeigt drei Uhr vierzig. Ich habe über drei Stunden geschlafen. Ich kreise mit den Schultern, schüttele die Arme aus, lasse die Beine über die Bettkante baumeln. Ein Teil des Schmerzes ist fort. Mir geht es ⦠besser. Das sandpapierartige Gefühl hinter meinen Augenlidern scheint sich in Luft aufgelöst zu haben. Noch immer trage ich eine Last, doch es scheint, als hätte jemand ein paar Steine daraus entfernt.
»Ich habe geschlafen!«, rufe ich und lasse die Arme fallen. Die Hitze steigt mir ins Gesicht. Wir sind beide noch immer nackt.
Bevor meine Wangen in Flammen aufgehen, bücke ich mich und beginne meine Klamotten aufzusammeln. Ich war noch nie zuvor
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