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Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Titel: Der Kuss des Engels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
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fühlte. Überrascht sah sie auf, während ihr das Blut in die Wangen schoss. Ihr Blick kreuzte den eines Mannes, der mit dem Rücken zur Wand allein an einem Tisch saß. Leere Gläser deuteten an, dass er seinen Rotwein ursprünglich in Gesellschaft getrunken hatte, und Sophie wünschte augenblicklich, er wäre mit seinen Freunden verschwunden.
    Reiß dich zusammen!, ermahnte sie sich. Der Fremde war nicht der erste und würde nicht der letzte Mann sein, der eine junge Frau musterte, die zufällig in derselben Bar saß. Sie musste nur demonstrativ wegsehen und alles unterlassen, was ihn ermutigen konnte, dann würde er sicher bald das Interesse verlieren.
    Es kam ihr selbst übertrieben gleichgültig vor, wie sie sich abwandte, um wieder die Treppe ins Visier zu nehmen. Wo steckten die beiden Partylöwinnen nur, wenn man sie brauchte? Krampfhaft vermied sie, erneut in die Richtung des Fremden zu blicken. Schon der Gedanke an sein düsteres Gesicht ließ sie schaudern. Aber weshalb? An matt dunklem, bereits ergrauendem Haar, schlecht rasierten Wangen und dichten Augenbrauen allein war nichts Beunruhigendes. Dennoch meinte sie, seinen bohrenden Blick beinahe körperlich zu spüren. Fahrig zerpflückten ihre Finger die Minzblätter, die den Mojito dekorierten. Der frische Duft, den sie eigentlich liebte, verursachte ihr Übelkeit. Warum war sie nur in diese bescheuerte Bar gekommen? Sie hätte nach dem Abendessen heimgehen und für die Abschlussprüfung lernen sollen.
    Verschwommen nahm sie aus dem Augenwinkel wahr, dass der Kerl sie noch immer anstarrte. Die dunkle, bedrohliche Seite der Stadt wurde ihr mit einem Mal wieder bewusst. Sie erinnerte sich an die Schreie, die sie eines Nachts durchs offene Fenster gehört hatte, an die hastigen Schritte und aufgebrachten Rufe. Kein Wort hatte sie verstanden, nur mit pochendem Herzen im Bett gesessen und in die anschließende Stille gelauscht. Sofern man in Paris je von Stille sprechen konnte …
    Als die Runde am Nebentisch in Gelächter ausbrach, schreckte sie auf. Ungewollt flog ihr Blick zu dem Mann hinüber, der ihr so viel Furcht einjagte. Seine Augen waren unter den dunklen Brauen unverhohlen auf sie gerichtet, und das war beinahe schlimmer, als wenn er zu ihr gekommen und sie angesprochen hätte. Doch darauf schien er gar nicht aus zu sein. Sophie konnte förmlich vor sich sehen, wie er ihr schweigend folgen würde, sobald sie das Lokal verließ. Irgendwie musste sie ihn austricksen.
    Abrupt stand sie auf, schnappte sich ihre Jacke und eilte zur Toilette. Vor dem Waschbecken warf sie einen Blick in den Spiegel. Sie war blass, aber die Angst hatte rote Flecken auf ihre Wangen getrieben. Die dunkelblonden Haare hingen in wirren Strähnen, die Augen wirkten in ihrem müden Gesicht zu groß. Sah so ein leichtes Opfer aus?
    Sie atmete tief durch, zog die nasskalte Jacke an und die Kapuze über den Kopf. Als eine Frau hereinkam, verließ sie ihre fragwürdige Zuflucht. Schon zuvor hatte sie beschlossen, nicht mehr an ihren Tisch zurückzukehren. Stattdessen drückte sie einer verdutzten Kellnerin zehn Euro in die Hand. »Pour un mojito à la fraise.«
    »Aber …«
    »Stimmt so«, fiel sie ihr ins Wort und eilte zum Ausgang. Sie hoffte inständig, dass der unheimliche Kerl noch nichts ahnend im ersten Stock saß, wagte aber nicht, sich umzudrehen, um sich Gewissheit zu verschaffen. Jede Sekunde Vorsprung konnte entscheidend sein.
    Draußen rannte sie, bis sie einige Passanten zwischen sich und Les Étages gebracht hatte. Hastig bog sie in die nächste Seitenstraße ab, stoppte und spähte an die Hauswand gelehnt um die Ecke, zur Bar zurück. Nichts. Misstrauisch musterte sie die Gestalten, die sich hinter hochgestellte Krägen und Schirme duckten, doch niemand kam ihr bekannt vor. Eine Frau, die sich bei ihrer Freundin oder Geliebten untergehakt hatte, warf ihr einen halb amüsierten, halb fragenden Blick zu. Sophie rang sich ein Lächeln ab und wich von der Wand zurück. Sie hatte sich den unangenehmen Beobachter nicht eingebildet. Wenn sie ihn durch ihren übereilten Aufbruch losgeworden war, umso besser.
    Kopfschüttelnd ging sie weiter und hielt sich vage in Richtung Seine, die sie wieder überqueren musste, um nach Hause zu gelangen. Langsam beruhigte sich ihr Herzschlag. Sie drehte sich ein weiteres Mal um. Kein finsterer Blick, der sie verfolgte.
    Der Regen war in ein kaum spürbares Nieseln übergegangen. Die Anspannung wich allmählich der trostlosen Leere, die

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