Der Kuss des Lustdämons
seine Lippen waren mehr ein bebender Strich. Alle Gefühle und Gedanken, die sie schon überwunden glaubte, schlugen gleichzeitig auf sie ein. Wie sollte sie wieder zur Arbeit zurückfinden? Vielleicht war es wirklich besser aufzugeben und zu gehen. Nein, das durfte sie nicht!
„Ich weiß, das ist jetzt vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt, aber ...“, begann sie hilflos.
„Ja, ich werde die Bilder trotzdem für dich bearbeiten.“ Celice riss überrascht die Augen auf. Damit hatte sie nicht gerechnet.
Er lachte. „Ich weiß, was für dich dranhängt, darüber haben Henry und ich gestern ebenfalls gesprochen. Es war einer der Gründe, warum er Jeanine abserviert hat. Er wollte dieser Niederträchtigkeit nicht mehr ins Gesicht sehen.“
Ein Stein rollte durch Celices Gedärme. Das hatte er getan? „Ich hätte nie gedacht, dass Henry wegen jemandem wie Jeanine seinen Verstand verliert. Er wollte die ersten Wochen seines neuen Glücks selbst von mir nichts mehr wissen. So sehr es mir auch gefallen hat, dass er sich endlich jemand anderem zuwandte, umso mehr fühlte ich, dass er in sein Unglück rannte. Aber er hatte Angst, sich der Wahrheit stellen zu müssen, und er wusste, ich würde ihm immer meine Meinung sagen. Ja, er war verliebt, aber nur in ein Traumbild. Und als die Erkenntnis langsam einsetzte, wusste er nicht mehr, wie er einen Ausweg finden sollte. Da haben wir uns als Freunde wieder angenähert. Henry hat gelitten. Ich wünschte mir, es hätte einen glücklicheren Ausgang gegeben.“ Leon seufzte und fuhr sich durch sein Haar. Celice war übel. Ihre Lebensachterbahn hatte gerade wieder ein paar Loopings genommen. „Ich denke, es wäre in seinem Sinne, wenn wir diese Arbeit vollenden und sie ihm widmen. Was meinst du?“ Celice wagte nichts mehr zu sagen, sie nickte nur, während erneut Tränen aus ihren Augen rollten.
Leon grinste gequält. „Ich hätte nie gedacht, dass ich das jemals sagen würde, aber ich habe mich geirrt. Es tut mir leid.“
Celice nickte und unterdrückte ein Schluchzen. „Ich werde dir die Bilder heute zukommen lassen.“ Ihre Stimme brach, während sich ihre Finger fester um das Kästchen spannten. „Vielen Dank für alles.“
„Keen Ding. Wir werden dit Baby schon schaukeln, Kleene. Die Ziege kann sich warm einpacken!“ Die Rechnung war bestellt. „Übrijens, echt heißet Outfit heute.“ Er zwinkerte ihr zu. Nun musste auch sie schmunzeln.
„Celice, schade, dass du nicht im Büro warst. Ich hätte mich gern von dir verabschiedet. Missy und ich werden uns ein paar schöne Tage machen. Ich werde mich auf jeden Fall von Mallorca aus melden. Halt den Kopf oben! Ich vermiss dich jetzt schon! Hab dich lieb, Süße!“, krakelte Kyra aus dem Anrufbeantworter ihres Handys. Dann hatte es zwischen den beiden Mädels also tatsächlich gefunkt. Trotz der Traurigkeit darüber, dass sie ihre beste Freundin eine Weile nicht sehen würde, legte sich ein süffisantes Grinsen auf Celices Lippen. Die beiden passten wirklich gut zusammen. Gerade sah sie sich die Bilder von dem Shooting auf ihrem Fujitsu Amilo an. So unterwürfig wie der rote Wirbelwind auf den Bildern wirkte, so verliebt und voller Respekt sah Missy sie an. Wie schön, dass Kyra glücklich werden würde.
Celice seufzte. Vermutlich wusste ihre Freundin nicht, dass Henry tot war. Sonst wäre sie bestimmt nicht weggeflogen. Celice schüttelte den Kopf über ihre selbstsüchtigen Gedanken.
„Reiß dich zusammen! Es ist Zeit für einen Neuanfang! Da kann dir keiner helfen, die Sache musst du allein durchziehen. Und wenn du es geschafft hast, dann wird dich so schnell nichts mehr umhauen“, sagte sie zu sich selbst. Warum musste das Leben nur solch grausame Haken schlagen? Seufzend zappte sie sich weiter durch die Bilder und blieb bei einem Foto von Jade hängen. Er sah mit einem verführerischen Blick in die Kamera und hielt die benebelt scheinende Missy in seinen Armen. Diese dunklen Augen, sie kannte sie! Da war es wieder, dieses Gefühl, das sie verdrängt hatte. Ihr Herzschlag wurde schneller. Je länger sie ihn betrachtete, desto mehr sehnte sie sich danach, die Vergangenheit über Bord zu werfen und zu genießen, was immer auch kommen würde.
Vielleicht ist er ja deine Zukunft , schoss es durch ihren Kopf, doch gleichzeitig stiegen Zweifel in ihr auf.
Dieser Mann sollte ihre Zukunft sein?
Auf der einen Seite war es ein prickelnder Gedanke nach der letzten Nacht. Auf der anderen kam es
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