Der Kuss des Lustdämons
einfach eine Weile ungewaschen aufbewahren.
Celice machte sich keine Hoffnungen, dass sie noch einmal in den Genuss eines solchen Abends mit Jade kommen würde. Trotzdem würde sie den Duft ihrer Lust hier wohl immer wahrnehmen, da konnte sie noch so sehr das Leder putzen. Celice liebte solche kleinen Geheimnisse. Jetzt war es aber Zeit, wieder aus ihren Träumen aufzutauchen und zu ihrer Arbeit zurückzukehren. Sie hatte keinen Zweifel mehr daran, dass sie den Wettbewerb gewinnen würde.
Je näher sie ihrem Büro kam, desto mehr kribbelte es in ihr. Irgendwas stimmte nicht. Ein Stein lag in ihrem Magen und ihr Gang wurde immer schwerfälliger. Gerade hatte sie in ihrer Tasche nach dem Schlüssel für ihr Büro gekramt, als hinter ihr die Tür aufging. Noch mit einer Hand in der Tasche drehte sie sich um und starrte auf zwei Polizeibeamte, die gerade den Raum nebenan verließen. Deutlich konnte sie Henrys Namensschild erkennen. Er war direkt gegenüber eingezogen? Bevor sich die Tür schloss, erhaschte sie einen kurzen Blick auf Jeanine Kornblum. Sie hing in den Armen der Chefin und heulte. Was war denn da los? Schnell drehte sie sich wieder zu ihrem Büro. Das Herz pochte heftig in ihrer Brust. Wie automatisiert steckte sie den Schlüssel in das Schloss. Von innen lehnte sie sich gegen die Tür und starrte geradeaus aus dem Panoramafenster. Klatschend fiel ihre Tasche zu Boden. Ihr kam wieder der lautstarke Streit von vorgestern in den Sinn. Dann war es doch seine Stimme gewesen!
Plötzlich polterte nebenan die Tür und jemand trat mit viel Schwung ihre auf. Celice sprang rechtzeitig vor, bevor sie von der Wucht erschlagen wurde. Jeanine stand im Rahmen. Ihre Brille saß schief auf der Nase und war am Rand dunstig beschlagen. Die schwarze Schminke unter ihren Augen war verschmiert und der Mund weinerlich verzogen. Celice stemmte die Arme in die Seiten. Was sollte diese Show? Die junge Frau wirkte zunächst überrascht, doch dann verfinsterte sich ihr Blick.
„Du! Du bist an allem Schuld!“, kreischte sie und deutete mit dem Zeigefinger direkt auf ihr Gesicht. „Du hast erreicht, was du wolltest, du Schlampe! Er hat mich gestern Abend verlassen!“
Fassungslos starrte Celice ihre Nebenbuhlerin an, deren Körperhaltung mehr einer alten Hexe mit Buckel glich. Die fettigen, beinahe schmutzig wirkenden Haare hingen ungekämmt über ihre Schultern. Jeanine hatte anscheinend weder geschlafen noch geduscht, noch die Kleidung gewechselt. In Celice kamen Erinnerungen von ihren verschenkten zwei Wochen in den Kopf. „Aber auch du wirst ihn niemals mehr bekommen!“ Es war befremdlich, als Jeanine plötzlich in ein schauerliches Lachen ausbrach. Celice fühlte sich, als hätte man ihr ein Brett vor die Stirn geschlagen. Jeanine sank in die Knie, beugte sich vornüber und hielt sich mit einem Arm am Griff fest. Ein gequältes Schluchzen drang aus ihrer Kehle. Celice atmete schwer. Als sich ihre Blicke wieder trafen kochte, erneut die Wut in der jungen Frau auf.
„Verfluchte Schlange!“ Jeanine ballte ihre Hand zur Faust und drohte Celice damit.
Was zum Henker war hier los? Oder wollte sie es gar nicht wissen?
„Es ist genug, Jeanine! So ein Theater will ich hier nicht haben!“ Frau Stieling packte ihre Nichte am Arm und zog sie auf die Beine. Zerknirscht wandte die Angesprochene ihren Blick ab und starrte an ihrer Tante vorbei auf den Flur, wo sich bereits einige Zuschauer eingefunden hatten. „Die Show ist vorbei! Bitte gehen Sie wieder an Ihre Arbeit!“, schimpfte die Chefin in die Richtung der kleinen Gruppe, die sich daraufhin zerstreute. Noch immer das Handgelenk ihrer Nichte umklammernd, wandte sie sich an Celice. „Ich will Sie in fünf Minuten in meinem Büro sehen.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, zog sie ihre verstörte Nichte aus dem Zimmer.
Seufzend trat Celice zurück, ergriff die Klinke und schloss die Tür. Die gespenstische Stille, die nun einkehrte, beruhigte sie in keinem Maße. In ihren Gedanken brauten sich dicke Wolken zusammen.
Frau Stieling war völlig ungewohnt in ein schlichtes grünes Samtkleid mit Gürtel gekleidet. Sie saß mit gefalteten Händen an ihrem Tisch. Ihre Augen strahlten noch mehr Kälte als sonst aus. Auch ihr Mund wirkte verkniffener und faltiger. Celice war auf dem Stuhl zusammengesunken.
„Es tut mir leid, was da vorhin passiert ist. Aber das alles hat eine Ursache, die leider sehr unangenehmer Natur ist.“ Sie räusperte sich und atmete tief durch.
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