Der Lambertimord
keiner mehr«, feixte der Mediziner schadenfroh grinsend, der Eckis Geschichte natürlich kannte, und schlug ihm aufmunternd auf die breiten Schultern.
»Ha, ha, wie witzig. Ich lach mich tot.« Ecki verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen.
»Na, besser nicht, sonst landest du womöglich noch auf meinem hübschen kalten Stahltisch.«
Leenders räusperte sich, als er merkte, daß er bei den beiden mit seinen Witzen nicht landen konnte, und versuchte dann noch so etwas wie eine Versöhnung. »Ganz schön kalt geworden, richtig Winter.«
Frank sah Ecki an und verdrehte die Augen. Dann ließen sie den Pathologen mit dem sichergestellten Handy einfach stehen und bogen um die offene Tür des Rettungswagens.
»Oh, mein Gott.«
Die beiden Ermittler hatten während ihrer Arbeit im KK 11 schon vieles mitansehen müssen, Selbstmörder, Rentner, die erst Wochen nach ihrem einsamen Tod gefunden worden waren, erdrosselte Kinder in ihren Bettchen. Der Anblick einer Leiche war für sie trotzdem jedes Mal aufs neue ein Schock. Besonders, wenn es sich wie in diesem Fall um eine junge und noch dazu hübsche Frau handelte.
Ihnen bot sich ein jämmerlicher Anblick. Der Körper lag zusammengekrümmt auf dem roten Pflaster am Fuß des alten Kirchturms. Wie eine überfahrene Katze, war Franks erster Gedanke. Die Frau hatte kurzes blondes Haar. Frank sah an dem Backsteinturm empor, der auf allen Seiten mit grauen und blauen Bauplanen fast komplett verhängt war. Auf den ersten Blick sah es so aus, als könnte die Frau irgendwo oben auf dem Gerüst ausgerutscht und dann fast 30 Meter in die Tiefe gestürzt sein. Vielleicht war es auch nur ein Unfall, ausgerutscht auf glitschigen Planken. Vielleicht war es aber auch Selbstmord, oder sie war doch absichtlich hinunter gestoßen worden. Sie würden es herausbekommen. Immerhin galten die beiden Ermittler als Spitzenteam. Das hatte sich schon bis zum Innenministerium herumgesprochen. Frank und Ecki blieben am Rand der Absperrung stehen und sahen den beiden Kollegen der Spurensicherung zu, die im Schein der aufgestellten Lampen in ihren weißen Plastikanzügen am Boden knieten. Einer von ihnen klappte gerade einen großen silberfarbenen Metallkoffer zu.
»Fertig?« fragte Ecki. Der Mann vor ihm sah nur kurz hoch und schwieg.
»Was meinst du?« Frank sah Ecki fragend an.
»Also, gesprungen ist die sicher nicht.«
»Hhm. Könnte stimmen. Kein Blut.«
»Fundort ist nicht gleich Tatort.« Der ältere der beiden Beamten von der Spurensicherung murmelte mehr vor sich hin, als daß er die beiden direkt ansprach. Er war damit beschäftigt, etwas vom Boden abzukratzen, das für Frank so aussah wie ein festgetretenes Kaugummi.
»Und was noch, lieber Kollege?« Franks Stimme klang zuckersüß. Ein sicheres Zeichen dafür, daß er mehr als ungeduldig war, dachte Ecki. Warum mußten die Typen von der »Spusi« auch immer so eine Show abziehen? Der einsilbige Cowboy auf der Suche nach der Wahrheit. Die Kollegen hatten wohl sonntagabends zu viele Tatorte gesehen. Weder Ecki noch Frank mochten die verschlossene Art der Kollegen von der Spurensicherung besonders.
»Können wir noch nicht sagen, morgen vielleicht, oder …«
»Schon gut, weiß schon, ihr könnt auch nicht mehr als arbeiten.«
»Eben.« Der Mann in seinem weißen Einmal-Overall mit Kapuze zog ein beleidigtes Gesicht und steckte das Messer und den Plastikbeutel mit dem abgekratzten Etwas in ein Fach seines Koffers. Dann stand er auf und verschwand mit seinem Kollegen samt Koffer Richtung Café. Dort brannte schon Licht.
Frank konnte ihn in gewisser Weise sogar verstehen. Wer will schon im November morgens in aller Herrgottsfrühe anderer Leute Kaugummi vom Boden abkratzen?
»Super, und jetzt?« Ecki zog die Nase hoch.
Frank antwortete nicht. Statt dessen kniete er sich neben den Körper der schlanken Frau und hob vorsichtig ihren rechten Arm, den sie wie im Schlaf angewinkelt hatte. Der linke Arm zeigte auf die andere Straßenseite, auf einen Punkt irgendwo zwischen der Kneipe Paradise und der Bäckerei Nethen. Die Tote lag halb auf der Seite, mit dem Gesicht Richtung Turm, die Beine merkwürdig verdreht. Frank zog Einmalhandschuhe aus seiner Jackentasche und streifte sie über. Dann drehte er ihren Kopf mit beiden Händen vorsichtig ein Stück zur Seite.
Sie hatte weiche Gesichtszüge und war ungefähr 1,70 groß. Ihre Fingernägel waren unlackiert. Die Tote mochte Mitte Zwanzig gewesen sein. Frank fiel auf, daß sie für Ende
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