Der Landarzt (German Edition)
Ich bin weit davon entfernt, sie deswegen zu tadeln, hat mir ihr dem Kretinen geweihter Kult doch häufig als Mittel gedient, um die, welche Intelligenz besaßen, zur Hilfe für die Unglücklichen zu veranlassen. – Aber wir sind an Ort und Stelle,« fuhr Benassis nach einer Pause fort, als er sein Hausdach erblickte. Weit entfernt, von dem Zuhörer die geringste Lob- oder Dankphrase zu erwarten, als er diese Episode seines Verwaltungslebens erzählte, schien er nur jenem naiven Mitteilungsbedürfnis nachgegeben zu haben, dem von der Welt zurückgezogene Leute gehorchen.
»Mein Herr,« sagte der Major zu ihm, »ich hab' mir die Freiheit genommen, mein Pferd in Ihren Stall zu stellen, und Sie werden so gütig sein, mich zu entschuldigen, wenn ich Ihnen meinen Reisezweck mitgeteilt habe.«
»Ah! und der ist?« fragte Benassis ihn, der sich von einer Zerstreutheit freizumachen und sich zu erinnern schien, daß sein Gefährte ein Fremder war.
Seinem offenen und mitteilsamen Charakter gemäß hatte er Genestas wie einen Bekannten aufgenommen.
»Mein Herr,« entgegnete der Soldat, »ich habe von der beinahe wunderbaren Heilung Monsieur Graviers aus Grenoble, den Sie zu sich genommen hatten, reden hören. Ich komme in der Hoffnung, der gleichen Fürsorge teilhaftig zu werden, ohne die gleichen Ansprüche auf Ihre Gewogenheit zu besitzen: indessen verdiene ich sie vielleicht! Ich bin ein alter Soldat, dem alte Wunden keine Ruhe lassen. Sie werden wohl mindestens acht Tage nötig haben, um den Zustand, in welchem ich mich befinde, zu prüfen; denn meine Schmerzen hören nur zeitweilig auf, und ...«
»Nun gut, mein Herr,« sagte Benassis, ihn unterbrechend, »Monsieur Graviers Zimmer steht immer bereit; kommen Sie ...«
Sie traten ins Haus, dessen Türe vom Arzte mit einer Lebhaftigkeit aufgestoßen wurde, welche Genestas dem Vergnügen zuschrieb, einen Pensionär zu bekommen. »Jacquotte,« rief Benassis, »der Herr wird hier essen.«
»Aber, mein Herr,« warf der Soldat ein, »würde es nicht angemessen sein, uns über den Preis einig zu werden?«
»Den Preis wovon?« fragte der Arzt.
»Der Pension. Sie können nicht mich und mein Pferd ernähren, ohne ...«
»Wenn Sie reich sind,« antwortete Benassis, »werden Sie wohl bezahlen, wenn nicht, will ich nichts haben.«
»Nichts«, sagte Genestas, »dünkt mich zu teuer. Doch, reich oder arm, würden Ihnen zehn Franken täglich, abgesehen von den Kosten für Ihre Bemühungen, recht sein?«
»Nichts ist mir weniger recht, als irgendwelche Bezahlung für das Vergnügen, Gastfreundschaft auszuüben, anzunehmen,« erwiderte, die Brauen runzelnd, der Arzt. »Was meine Bemühungen anlangt, so werd' ich Sie Ihnen nur widmen, wenn Sie mir gefallen. Reiche sollen meine Zeit nicht kaufen, sie gehört den Leuten des Tals hier. Ich will weder Ruhm noch Vermögen, ich verlange von meinen Kranken weder Lobsprüche noch Dankbarkeit. Das Geld, das Sie mir etwa einhändigen, wird zu den Apothekern nach Grenoble wandern, um die für die Bezirksarmen unerläßlichen Medikamente zu bezahlen.«
Wer diese brüsk, aber ohne Bitterkeit hingeworfenen Worte gehört hätte, würde sich wie Genestas innerlich gesagt haben: »Das ist wahrhaftig ein wackerer Mann!«
»Mein Herr,« sagte der Soldat mit seiner gewohnten Hartnäckigkeit, »ich werde Ihnen also zehn Franken täglich bezahlen und Sie mögen damit tun, was Sie wollen! Das abgemacht, werden wir uns besser verstehen,« fügte er, des Arztes Hand ergreifend und sie ihm mit eindringlichster Herzlichkeit schüttelnd, hinzu: »Trotz meiner zehn Franken werden Sie wohl sehen, daß ich kein Wucherer bin.«
Nach diesem Kampfe, in dem bei Benassis nicht das geringste Verlangen durchblickte, als edelmütiger Mann oder Philanthrop zu erscheinen, trat der angebliche Kranke in das Haus seines Arztes, wo alles im Einklang mit dem Verfall der Türe und den Kleidern des Besitzers stand. Die geringsten Dinge bezeugten die größte Sorglosigkeit dem gegenüber, was nicht von wesentlichem Nutzen war. Benassis ließ Genestas durch die Küche gehen, den kürzesten Weg, um ins Speisezimmer zu gelangen. Wenn diese verräuchert wie eine Herbergsküche, mit Geräten in genügender Menge versehen war, so war dieser Luxus das Werk Jacquottes, einer ehemaligen Pfarrersköchin, die »wir« sagte und den Arzthaushalt als Alleinherrscherin regierte. Wenn es dort über dem Kaminmantel einen sehr blanken Bettwärmer gab, so liebte Jacquotte wahrscheinlich warm zu
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