Der Landarzt (German Edition)
schlafen im Winter, und wärmte auf diesem Umweg die Leintücher ihres Herrn, der, wie sie sagte, an nichts dachte; Benassis aber hatte sie gerade aus dem Grunde genommen, der für jeden anderen einen unerträglichen Fehler bedeutet hätte: Jacquotte wollte im Hause herrschen, und der Arzt hatte eine Frau zu finden gewünscht, die bei ihm herrsche. Jacquotte kaufte, verkaufte, machte zurecht, veränderte, stellte auf und verrückte, ordnete an und stellte um – alles nach ihrem Belieben, niemals hatte ihr Herr ihr eine einzige Einwendung gemacht. Auch betreute Jacquotte ohne Kontrolle den Hof, den Stall, den Knecht, die Küche, das Haus, den Garten und den Herrn. Nach ihrem eigenen Dafürhalten wechselte sie das Leinzeug, hielt sie Wäsche und speicherte sie Vorräte auf. Sie entschied über den Eingang ins Haus und über den Tod der Schweine, schalt den Gärtner, setzte die Speisefolge des Frühstücks und des Mittagessens fest, ging vom Keller nach dem Speicher, vom Speicher in den Keller, indem sie dort nach ihrer Laune schaltete und waltete, ohne irgendwelchen Widerstand zu finden. Benassis hatte nur zwei Dinge gewünscht: um sechs Uhr zu Mittag zu essen und monatlich nur eine bestimmte Summe zu verausgaben. Eine Frau, der alles gehorcht, singt immer: auch Jacquotte lachte, schlug wie eine Nachtigall auf den Treppen, immer trällernd, wenn sie nicht sang, und singend, wenn sie nicht trällerte. Von Natur aus sauber, wie sie war, hielt sie das ganze Haus sauber. Wenn ihr Geschmack anders gewesen wäre, würde Monsieur Benassis recht unglücklich gewesen sein, meinte sie; denn der arme Mann paßte so wenig auf, daß man ihm Kohl für Rebhühner hätte vorsetzen können; ohne sie würde er dasselbe Hemd häufig acht Tage über anbehalten haben. Doch Jacquotte war eine unermüdliche Wäschezusammenlegerin, Möbelabstauberin aus Charakter, und Liebhaberin einer ganz geistlichen Sauberkeit, der peinlichsten, blendendsten und angenehmsten aller Sauberkeiten. Als erbliche Feindin des Staubs entstaubte, wusch und plättete sie unaufhörlich. Der Zustand der äußeren Türe verursachte ihr lebhaften Kummer. Seit zehn Jahren entlockte sie ihrem Herrn an jedem Monatsersten das Versprechen, die Türe neu machen, die Mauern des Hauses frisch weißen und alles hübsch herrichten zu lassen; und der Herr hatte sein Wort noch nicht gehalten. Auch unterließ sie, wenn sie Benassis' unendliche Unbekümmertheit beklagte, es selten, folgende entscheidende Phrase, mit der alle Lobsprüche über ihren Herrn endigten, zu äußern:
»Man kann ja nicht sagen, daß er dumm ist, da er ja beinahe Wunder im Orte tut, doch manchmal ist er trotz alledem dumm, und zwar so dumm, daß man ihm wie einem Kinde alles in die Hand geben muß!«
Jacquotte liebte das Haus wie etwas, was ihr gehörte. Hatte sie, nachdem sie zweiundzwanzig Jahre über dort gewohnt hatte, übrigens nicht vielleicht das Recht, sich darüber zu täuschen? Als Benassis ins Land kam und das Haus infolge des Todes des Pfarrers verkäuflich fand, hatte er alles gekauft, Mauern und Grund, Möbel, Tafelgeschirr, Wein, Hühner, die alte Wanduhr mit Figurenwerk, das Pferd und die Dienerin. Jacquotte, das Modell einer Küchenfee, hatte einen vollen Oberleib, der unwandelbar in braunen, mit roten Punkten gemusterten Kattun gekleidet, der geschnürt und dermaßen zusammengepreßt war, daß man glauben mußte, der Stoff würde bei der geringsten Bewegung auseinanderbrechen. Sie trug ein rundes, gekräuseltes Häubchen, unter dem ihr etwas bleiches Gesicht mit dem Doppelkinn noch weißer aussah, als es in Wirklichkeit war. Klein, beweglich, im Besitze einer flinken, fleischigen Hand, sprach Jacquotte laut und beständig. Wenn sie einen Augenblick schwieg und den Rand ihrer Schürze faßte, um sie zum Dreieck zusammenzulegen, so kündigte diese Geste eine lange, an den Herrn oder den Diener gerichtete Vorstellung an. Von allen Köchinnen des Königreichs war Jacquotte sicherlich die glücklichste. Um ihr Glück so vollständig zu machen, wie ein Glück hienieden sein kann, sah sich ihre Eitelkeit fortwährend befriedigt; der Flecken sah sie für eine Autorität an, die zwischen Bürgermeister und Flurhüter stand.
Als der Bürgermeister in die Küche trat, fand er dort niemanden vor.
»Wo, zum Teufel, sind sie denn hingegangen?« rief er. »Verzeihen Sie mir,« fuhr er, sich an Genestas wendend, fort, »daß ich Sie hier einführe. Der Haupteingang führt durch den Garten, aber ich bin
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