Der Landarzt (German Edition)
steckt man aus den Fenstern. Die Generäle endlich, die er zu seinen besten Freunden gemacht hatte, geben ihn um der Bourbons willen auf, von denen man nie hatte sprechen hören.
Dann sagt er uns in Fontainebleau Lebewohl:
›Soldaten! ...‹
Ich höre ihn noch, wir weinten alle wie richtige Kinder; die Adler, die Fahnen waren wie für eine Beerdigung gesenkt; denn, man kann es euch sagen, es war die Leichenfeier des Kaiserreichs, und seine fein herausgeputzten Armeen waren nur noch Skelette.
Dann sagte er unter der Freitreppe seines Schlosses zu uns:
›Meine Kinder, wir sind durch Verrat besiegt worden, doch werden wir uns im Himmel, dem Vaterlande der Tapferen, wiedersehen. Verteidigt meinen Kleinen, den ich euch anvertraue: Es lebe Napoleon II.!‹
Er hatte die Absicht zu sterben; und, um den besiegten Napoleon nicht sehen zu lassen, nimmt er Gift, das ein Regiment hätte töten müssen, weil er, wie Jesus Christus vor seiner Passion, sich von Gott und seinem Talisman aufgegeben wähnt. Das Gift aber kann ihm nichts anhaben. Etwas anderes! er erkennt sich als unsterblich. Sicher seiner Seele und sicher, stets Kaiser zu sein, geht er einige Zeit über auf eine Insel, um das Temperament derer zu studieren, die unaufhörlich Dummheiten machen. Während er auf Wache steht, halten die Chinesen und die wilden Tiere der afrikanischen Küste, Barbaresken und andere, die sehr ungemütliche Gesellen sind, ihn so sehr für etwas anderes als für einen Menschen, daß sie seine Fahne respektieren, indem sie sagen, daß sie anrühren, sich an Gott vergreifen hieße. Er regierte über die ganze Welt, während die andern ihn vor die Türe seines Frankreichs gesetzt hatten. Dann schifft er sich auf der nämlichen ägyptischen Nußschale ein, fährt den englischen Schiffen an der Nase vorbei und setzt den Fuß auf französischen Boden; Frankreich erkennt ihn wieder, der vermaledeite Kuckuck fliegt von Glockenturm zu Glockenturm, ganz Frankreich schreit: ›Es lebe der Kaiser!‹ Und hier bei uns ist die Begeisterung über dies Wunder des Jahrhunderts echt gewesen, der Dauphiné hat sich sehr gut aufgeführt, und ich bin besonders froh gewesen, als ich hörte, daß man hier Tränen der Freude geweint habe, als man seinen grauen Ueberrock wiedergesehen. Am ersten März schiffte sich Napoleon mit zweihundert Mann ein, um das Königreich Frankreich und Navarra zu erobern, das am zwanzigsten März wieder das französische Kaiserreich geworden war. Der Mann befand sich an diesem Tage in Paris; nachdem er alles ausgekehrt, hatte er sein liebes Frankreich wiedergewonnen und seine Soldaten zusammengerafft, indem er zu ihnen nur die drei Worte sagte: ›Ich bin da!‹ Das ist das größte Wunder, das Gott getan hat! Hat vor ihm jemals ein Mann nur dadurch die Macht gewonnen, daß er seinen Hut zeigte? Man glaubte Frankreich niedergeworfen? Durchaus nicht. Beim Anblick des Adlers bildet sich wieder eine nationale Armee, und wir marschieren alle nach Waterloo. Dort nun stirbt die Garde auf einen Schlag. In seiner Verzweiflung wirft sich Napoleon dreimal an der Spitze der Reiter vor die feindlichen Kanonen, ohne den Tod zu finden! Wir haben das gesehen, wir andern! Die Schlacht ist verloren. Abends ruft der Kaiser seine alten Soldaten, verbrennt auf einem Felde, das mit unserem Blute überströmt ist, seine Standarten und seine Adler; diese armen, immer siegreichen Adler, die in den Schlachten ›Vorwärts!‹ riefen, und die über ganz Europa hingeflogen waren, wurden vor dem Schimpfe bewahrt, den Feinden in die Hände zu fallen. Alle seine Schätze würden England nicht einmal den Schwanz eines Adlers geben können! Keine Adler mehr da! Der Rest ist hinreichend bekannt. Der Rote ging zu den Bourbonen über als ein Schuft, der er ist. Frankreich ist niedergetreten; der Soldat ist nichts mehr, man beraubt ihn des ihm Zustehenden, schickt ihn nach Hause zurück, um seinen Platz von Adligen einnehmen zu lassen, die so wenig marschieren konnten, daß es einen dauerte. Man bemächtigt sich Napoleons durch Verrat, die Engländer fesseln ihn auf einer einsamen Insel des großen Meeres an einen Felsen, der sich zehntausend Fuß über die Welt erhebt. Endergebnis: er ist gezwungen, dortzubleiben, bis der Rote ihm zu Frankreichs Glück seine Macht wiedergibt. Die Pariser sagen, er sei tot! Ach ja tot! Man sieht, daß sie ihn nicht kennen. Sie wiederholen solche Aufschneiderei, um das Volk anzuführen und zu veranlassen, sich in ihrer
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