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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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um den sich das Leben bewegte. Macht und Einfluß des Häuptlingsamtes durchdrangen jeden Aspekt unseres Lebens in Mqhekezweni, und es schien mir das vorzüglichste Mittel, durch das man Einfluß und Status erlangen konnte.
    Meine späteren Vorstellungen von Führerschaft wurden grundlegend beeinflußt durch meine Beobachtungen des Regenten und seines Hofes. Ich verfolgte die Stammestreffen, die regelmäßig im Großen Platz stattfanden, und lernte daraus. Der Zeitpunkt dafür war nicht von vornherein festgesetzt, die Versammlungen wurden anberaumt, wie es die Ereignisse erforderten. Man hielt sie ab, um nationale Angelegenheiten zu erörtern, etwa eine Dürre, eine Epidemie, das Aussondern von Merzvieh, Direktiven von seiten des Magistrates, neue Gesetze, welche die Regierung erlassen hatte. Jedem, der ein Thembu war, stand es frei zu kommen – und sehr viele kamen auch, zu Pferde oder zu Fuß.
    Bei solchen Gelegenheiten war der Regent umgeben von seinen »Amaphakathi«, einer Gruppe von hochrangigen Beratern, die das Parlament des Regenten bildeten und die Rechtsprechung ausübten. Es waren weise Männer, die sich gründlich in der Stammesgeschichte und in den Sitten auskannten und deren Meinungen großes Gewicht hatten.
    Wenn ein Treffen stattfinden sollte, verschickte der Regent Briefe an diese Häuptlinge und Headmen, und bald wimmelte es im Großen Platz von Besuchern und Reisenden aus dem ganzen Thembuland. Die Gäste versammelten sich vor dem Haus des Regenten, und er eröffnete die Versammlung, indem er allen für ihr Kommen dankte und ihnen erklärte, aus welchem Grund er sie zusammengerufen hatte. Danach äußerte er kein einziges Wort, bis zu dem Zeitpunkt, da die Versammlung sich ihrem Ende näherte.
    Es sprach jeder, der sprechen wollte. Es war Demokratie in ihrer reinsten Form. Unter den Rednern mag es zwar eine Hierarchie geben, was die Bedeutung der einzelnen betrifft, doch wurde jeder angehört, ob Häuptling oder einfacher Mann, Krieger oder Medizinmann, Ladenbesitzer oder Farmer, Landbesitzer oder Arbeiter. Die Leute sprachen ohne Unterbrechung, und die Treffen dauerten viele Stunden. Grundlage der Selbstregierung war, daß alle Männer ihre Meinungen offen vortragen konnten und in ihrem Wert als Bürger alle gleich waren. (Frauen wurden bedauerlicherweise als Bürger zweiter Klasse eingestuft.)
    Während des Tages gab es ein großes Bankett, und oft bekam ich Bauchschmerzen, weil ich mich allzu vollstopfte, während ich einem Redner nach dem anderen zuhörte. Mir fiel auf, daß manche Redner einfach drauflos schwafelten und nie zum Punkt kamen. Es gab auch andere, die näher bei der Sache blieben. Sie hatten eine Reihe spezieller Argumente, die sie knapp und überzeugend vortrugen. Ich bemerkte, daß manche Redner Emotionen und dramatische Worte einsetzten und versuchten, die Zuhörer mit Hilfe solcher Techniken zu bewegen, während andere Redner sachlich und nüchtern sprachen und Emotionen scheuten.
    Zunächst erstaunte mich die Heftigkeit – und der Freimut –, mit der Leute den Regenten kritisierten. Er war keinesfalls über Kritik erhaben – vielmehr war er sogar häufig die Zielscheibe von Kritik. Aber mochte die Attacke auch noch so gefühlsbetont sein, der Regent hörte einfach zu, ohne sich zu verteidigen, ohne seinerseits irgendeine Emotion zu zeigen.
    Die Zusammenkünfte dauerten so lange, bis irgendeine Art von Konsens erreicht war. Ein Treffen konnte nur in Einstimmigkeit enden oder überhaupt nicht. Einstimmigkeit konnte allerdings auch darin bestehen, daß man darin übereinstimmte, nicht übereinzustimmen, und zu warten, bis die Zeit günstiger war, um eine Lösung vorzuschlagen. Demokratie bedeutete, daß alle Männer angehört werden mußten und daß eine Entscheidung gemeinsam getroffen wurde, als ein Volk. Herrschaft einer Mehrheit war eine fremdartige Vorstellung. Eine Minderheit würde nicht durch eine Mehrheit erdrückt werden.
    Erst am Ende des Meetings, wenn die Sonne im Untergehen begriffen war, sprach der Regent wieder, und er unternahm es, das zusammenzufassen, was gesagt worden war, und versuchte, zwischen den verschiedenen Meinungen einen Konsens herzustellen. Konnte ein solcher Konsens nicht erreicht werden, so würde es ein weiteres Meeting geben. Schließlich trug ganz am Ende ein Lobsänger oder Poet eine Lobpreisung auf die Könige in uralten Zeiten vor sowie eine Mischung aus Kompliment und Satire auf die gegenwärtigen Häuptlinge, und die Zuhörer, der

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