Der langsame Walzer der Schildkroeten
ihren Vornamen und ihre Adresse angeben. Fragte sie nach dem Grund für ihr Kommen. Hörte mit regloser Miene zu. Äußerte ihre Verwunderung darüber, dass Joséphine so lange gewartet hatte, ehe sie den Überfall meldete. Sie schien ein solches Verhalten verdächtig zu finden. Schlug Joséphine vor, sich von einem Arzt untersuchen zu lassen, doch Joséphine lehnte ab. Capitaine Gallois bat sie um eine Beschreibung des Mannes, fragte, ob ihr etwas aufgefallen sei, was bei den Ermittlungen helfen könne. Joséphine erwähnte die glatten, kaum verschmutzten Schuhsohlen, die näselnde Stimme und das Fehlen von Schweißgeruch. Bei diesem Detail zog die Polizistin überrascht eine Augenbraue hoch, dann fuhr sie fort, die Aussage einzutippen. Sie wollte wissen, ob jemand einen Grund habe, auf sie wütend zu sein, ob sie bestohlen oder vergewaltigt worden sei. Sie sprach mit monotoner Stimme, ohne jede Gefühlsregung. Sie zählte Fakten auf.
Joséphine hätte am liebsten geweint.
Was ist das für eine Welt, in der die Gewalt so alltäglich geworden ist, dass man nicht einmal mehr den Kopf von seiner Tastatur hebt, um Anteil zu nehmen?, fragte sie sich, als sie hinaus auf die lärmende Straße trat.
Reglos betrachtete sie die in einer langen Schlange wartenden Autos. Ein LKW blockierte die Straße. Der Fahrer lud in aller Seelenruhe seine Ladung aus, trug die Kartons einzeln fort, ohne sich sonderlich zu beeilen, und musterte die verstopfte Straße mit zufriedener Miene. Eine Frau mit grellroten Lippen streckte den Kopf aus dem Wagenfenster. »Was soll der Quatsch?«, schrie sie. »Verdammte Scheiße! Dauert das noch lange?« Sie spuckte ihre Zigarette aus und drückte mit beiden Händen auf die Hupe.
Joséphine lächelte traurig und hielt sich beim Weggehen die Ohren zu, um das Protestkonzert nicht hören zu müssen.
Hortense stieg über den Kleiderhaufen auf dem Wohnzimmerboden der Wohnung, die sie mit Agathe teilte, einer anämischen, blässlichen Französin, die ihre Zigaretten aufs Geratewohl ausdrückte und ohne Rücksicht auf Verluste alles mit Brandlöchern übersäte. Jeans, Stringtanga, Strumpfhose, T-Shirt, Rollkragenpullover, Jacke, sie hatte sich ausgezogen und einfach alles fallen lassen.
Agathe besuchte dieselbe Schule wie Hortense, zeigte jedoch deutlich weniger Einsatz sowohl beim Studium als auch, wenn es darum ging, die Wohnung aufzuräumen. Wenn sie den Wecker hörte, stand sie auf, wenn nicht, blieb sie im Bett und kam erst zur nächsten Stunde. Schmutziges Geschirr stapelte sich im Becken der Küchenecke, die getragene Wäsche mehrerer Tage bedeckte das, was früher einmal Sofas geähnelt haben musste, den ganzen Tag über lief der Fernseher, und leere Flaschen lagen auf dem gläsernen Couchtisch, inmitten von zerschnittenen Zeitschriften, angetrockneten Pizzarändern und bräunlichen Jointstummeln in überquellenden Aschenbechern.
»Agathe!«, brüllte Hortense.
Und als Agathe nicht aus ihrem Zimmer kam, brach Hortense in eine wütende Anklage gegen die Schlamperei ihrer Mitbewohnerin aus, die sie mit heftigen Fußtritten gegen deren Tür begleitete.
»So geht das nicht weiter! Du bist ekelhaft! Dein Zimmer kannst du ja meinetwegen in einen Saustall verwandeln, aber nicht unsere gemeinsamen Räume! Ich habe gerade eine Stunde lang das Bad geputzt, überall liegen Haare von dir rum, alles ist verstopft, Zahnpastatuben laufen aus, ein alter Tampon liegt im Becken, wo bist du denn erzogen worden? Du wohnst hier nicht alleine! Ich warne dich, ich suche mir eine andere Wohnung. Ich halte das nicht mehr aus!«
Das Schlimmste ist, dachte Hortense, dass ich gar nicht ausziehen kann. Wir haben den Mietvertrag gemeinsam unterschrieben und zwei Monatsmieten im Voraus bezahlt, und wo sollte ich überhaupt hin? Das weiß diese nichtsnutzige Schlampe, die nichts anderes auf die Reihe kriegt, als sich in ihre Jeans zu hungern und mit dem Arsch vor ein paar sabbernden alten Säcken rumzuwackeln, die ihr auf den Hintern starren, auch ganz genau.
Angewidert musterte sie den Couchtisch, holte einen Müllsack und stopfte alles hinein, was auf und unter dem Tisch herumlag. Sie hielt sich die Nase zu, verschloss den Sack und warf ihn nach draußen auf den Flur, um ihn später nach unten zu bringen. Vielleicht würde Agathe ja reagieren, wenn sie ihre Jeans unten aus dem Müll fischen durfte. Aber wetten würde ich darauf nicht, schimpfte Hortense vor sich hin, mit dem Geld von einem der alten
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