Der Lavendelgarten
olivfarbener Haut und dichtem mahagonifarbenem Haar gewesen, das alle sechs Wochen zu einem strengen Bob geschnitten wurde, der Pony eine harte Linie über den dunklen Augenbrauen. – Das Erbe ihres Vaters Édouard.
»Wenn ich dich so ansehe, meine Liebe, kann ich es manchmal gar nicht glauben, dass du das Kind bist, das ich geboren habe!«, bemerkte ihre Mutter einmal vor einem Opernbesuch bei einem ihrer seltenen Ausflüge ins Kinderzimmer. »Aber immerhin hast du meine Augen.«
Manchmal hätte sich Emilie gewünscht, ihre tiefblauen Augen aus den Höhlen reißen und durch die schönen haselnussbraunen ihres Vaters ersetzen zu können. Sie fand, dass sie nicht in ihr Gesicht passten, und außerdem sah sie in ihnen jedes Mal, wenn sie in den Spiegel schaute, ihre Mutter.
Emilie hatte oft das Gefühl, ohne jede Eigenschaft zur Welt gekommen zu sein, die ihre Mutter wertschätzen konnte. Bei den Ballettstunden, die sie im Alter von drei Jahren nehmen musste, stellte Emilie fest, dass ihr Körper sich nicht wie verlangt verrenken wollte. Während die anderen kleinen Mädchen wie Schmetterlinge durchs Studio flatterten, mühte sie sich ab, Anmut zu entwickeln. Ihre kleinen, breiten Füße standen gern fest auf dem Erdboden, und jeder Versuch, sie davon zu lösen, ging unweigerlich schief. Klavierstunden hatten sich als genauso aussichtslos erwiesen, und weil sie keinerlei musikalisches Gehör besaß, war auch das Singen zum Scheitern verurteilt.
Ihr Körper brachte die femininen Kleider nicht gut zur Geltung, die sie tragen musste, wenn eine der vielen beliebten Soireen in dem herrlichen Rosengarten hinter dem Pariser Haus stattfand. Von ihrem Platz in einer Ecke aus bewunderte Emilie diese elegante, charmante, schöne Frau, die sich so anmutig und selbstsicher zwischen ihren Gästen bewegte. Bei den zahlreichen sozialen Anlässen im Pariser Haus und im Sommer im Château in Gassin fühlte Emilie sich unwohl und brachte keinen Ton heraus. Leider schien sie die gesellschaftliche Gewandtheit ihrer Mutter auch nicht geerbt zu haben.
Und doch wirkte ihre Kindheit für Außenstehende bestimmt märchenhaft – ein Leben in einem prächtigen Haus in Paris, Tochter einer französischen Adelsfamilie, deren Stammbaum Jahrhunderte zurückreichte und deren Wohlstand auch nach dem Krieg noch intakt war. Von alledem konnten viele andere junge Französinnen nur träumen.
Wenigstens hatte sie ihren geliebten Papa gehabt. Obwohl er sich aufgrund seiner Passion für seine stetig wachsende Sammlung seltener Bücher im Château nicht mehr um sie kümmerte als Maman, schenkte er Emilie die Liebe und Zuneigung, nach der sie sich so sehnte, wenn es ihr gelang, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Papa war bei ihrer Geburt sechzig gewesen und in ihrem vierzehnten Lebensjahr gestorben. Die gemeinsam verbrachte Zeit war kurz gewesen, doch Emilie wusste, dass sie einen Großteil ihrer Persönlichkeit ihm zu verdanken hatte. Édouard war ruhig und nachdenklich und zog seine Bücher und die Stille des Châteaus dem steten Strom von Mamans Gästen und Bekannten vor. Emilie hatte sich oft gefragt, wie zwei so gegensätzliche Charaktere sich überhaupt ineinander verlieben konnten. Aber Édouard, der seine jüngere Frau zu vergöttern schien, betrachtete ihre Schönheit und Beliebtheit in der Pariser Gesellschaft voller Stolz und beklagte sich nie über ihren ausschweifenden Lebensstil, obwohl er selbst bedeutend genügsamer war.
Am Ende des Sommers, wenn es für Valérie und Emilie Zeit wurde, nach Paris zurückzukehren, hatte Emilie ihren Vater oft angebettelt, bleiben zu dürfen.
»Papa, mir gefällt es hier auf dem Land bei dir. Im Ort gibt es eine Schule … Die könnte ich besuchen. Du bist doch sicher einsam, so ganz allein im Château.«
Édouard hatte dann zärtlich ihr Kinn angehoben und den Kopf geschüttelt. »Nein, meine Kleine. So lieb ich dich habe: Du musst zurück nach Paris, für die Schule lernen und eine Dame werden wie deine Mutter.«
»Aber Papa, ich will nicht mit Maman zurück, ich will bei dir bleiben, hier …«
Und dann, als sie dreizehn gewesen war … Emilie blinzelte die Tränen weg, weil es ihr immer noch schwerfiel, an den Moment zu denken, an dem aus dem Desinteresse ihrer Mutter Gleichgültigkeit geworden war. Unter den Folgen hatte sie den Rest ihres Lebens zu leiden.
»Wie konntest du nicht mitbekommen und dir nichts daraus machen, was mit mir passiert ist, Maman? Ich war doch deine
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