Der Lavendelgarten
Eichentisch, während sie selbst zum Herd ging, um Wasser heiß zu machen.
»Sehr viel Luxus bietet das Château nicht gerade«, stellte Gerard fest und sah sich in dem karg und zweckmäßig eingerichteten Raum um.
»Nein«, bestätigte Emilie. »Die Küche wurde nur von den Bediensteten genutzt, um für unsere Familie und Gäste Essen zuzubereiten. Ich bezweifle, dass meine Mutter je einen Teller gespült hat.«
»Wer kümmert sich jetzt um das Château und den Haushalt?«, erkundigte sich Gerard.
»Margaux Duvall, die Haushälterin, seit mehr als fünfzehn Jahren. Sie kommt jeden Nachmittag aus dem Ort her. Nach dem Tod meines Vaters hat Maman allen anderen gekündigt und ist nicht mehr wie früher jeden Sommer hergekommen. Ich glaube, sie war lieber auf der Jacht, die sie gemietet hatte.«
»Ihre Mutter hat jedenfalls gern Geld ausgegeben«, bemerkte Gerard, als Emilie den Kaffee auf den Tisch stellte. »Für die Dinge, die ihr wichtig waren«, fügte er hinzu.
»Wozu dieses Château nicht gehörte«, stellte Emilie fest.
»Stimmt«, pflichtete er ihr bei. »Nach allem, was ich bisher über ihre Finanzen weiß, scheint sie den Freuden des Hauses Chanel den Vorzug gegeben zu haben.«
»Ja, Maman liebte Haute Couture.« Emilie setzte sich mit ihrem Kaffee ihm gegenüber. »Sogar letztes Jahr, als sie schon sehr krank war, hat sie noch die Modenschauen besucht.«
»Valérie war tatsächlich eine eigenwillige Person – und berühmt. Ihr Dahinscheiden hat zahlreiche Kolumnen in den Zeitungen inspiriert. Natürlich überrascht mich das nicht. Die de la Martinières zählen zu den bekanntesten Familien von Frankreich.«
»Ich weiß.« Emilie verzog das Gesicht. »Die Zeitungsberichte habe ich auch gelesen. Ich scheine ein Vermögen zu erben.«
»Ihre Familie war früher tatsächlich sehr reich. Aber leider haben sich die Zeiten geändert, Emilie. Der vornehme Name Ihrer Familie existiert noch, nicht aber das Vermögen.«
»Das hatte ich mir schon fast gedacht.«
»Ihnen dürfte aufgefallen sein, dass Ihr Papa kein Geschäftsmann war«, fuhr Gerard fort, »sondern ein Intellektueller, den Geld nicht sonderlich interessierte. Meine Versuche, ihn zu zukunftsträchtigen Investitionen zu bewegen, waren leider nicht von Erfolg gekrönt. Vor zwanzig Jahren hat das keine Rolle gespielt – da war das Vermögen noch groß genug. Aber aufgrund des mangelnden Interesses Ihres Vaters und der Schwäche Ihrer Mutter für schöne Dinge ist das Vermögen beträchtlich geschrumpft.« Gerard seufzte. »Tut mir leid, wenn ich schlechte Nachrichten überbringe.«
»Das hatte ich schon erwartet, und es ist mir nicht wichtig«, versicherte Emilie ihm. »Ich möchte hier nur das Nötige organisieren und dann zu meiner Arbeit nach Paris zurückkehren.«
»Bedauerlicherweise ist das nicht so einfach. Wie eingangs erwähnt habe ich bisher noch nicht die Zeit gehabt, mich in die Einzelheiten zu vertiefen, doch so viel steht fest: Es gibt Gläubiger, sogar ziemlich viele. Die Schulden müssen so schnell wie möglich beglichen werden. Ihre Mutter hat das Haus in Paris mit fast zwanzig Millionen Francs beliehen. Darüber hinaus hatte sie zahlreiche andere Außenstände.«
»Zwanzig Millionen Francs?«, wiederholte Emilie entsetzt. »Wie konnte das passieren?«
»Ganz einfach. Als die Mittel versiegten, hat Valérie sich nicht eingeschränkt und viele Jahre auf Pump gelebt. Bitte, Emilie …«, Gerard sah ihren Gesichtsausdruck, »… geraten Sie nicht in Panik. Diese Schulden lassen sich leicht begleichen, etwa durch den Verkauf des Pariser Hauses, der meiner Ansicht nach um die siebzig Millionen Francs erbringen dürfte, sowie zahlreicher Wertgegenstände. Dazu gehören die prächtige Schmucksammlung Ihrer Mutter, die in einem Banksafe ruht, und die Gemälde und wertvollen Kunstobjekte im Gebäude. Glauben Sie, Emilie, Sie sind keineswegs arm, doch es müssen Entscheidungen getroffen werden, um den Verfall zu stoppen und die Weichen für die Zukunft zu stellen.«
»Verstehe. Sie müssen verzeihen, Gerard, aber in dieser Hinsicht komme ich nach meinem Vater. Ich habe wenig Interesse an und Erfahrung mit der Verwaltung von Finanzen.«
»Ich weiß. Ihre Eltern haben Ihnen eine schwere Last aufgebürdet, die ausschließlich auf Ihren Schultern ruht.« Gerard hob die Augenbrauen. »Erstaunlich ist nur, wie viele Verwandte Sie plötzlich zu haben scheinen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Nach solchen Todesfällen beginnen immer die
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