Der Lavendelgarten
Château mit hausgemachtem Wein zu versorgen. In seiner Blütezeit, als Ihre Vorfahren im damals üblichen großen Stil Gesellschaften gaben, wurde der Löwenanteil des Weins von ihnen und ihren Gästen getrunken. Jetzt ist das natürlich anders, doch der Weinberg wird immer noch geführt wie vor hundert Jahren.«
Als Gerard auf eine Reaktion Emilies wartete, aber keine erhielt, fuhr er fort.
»Was die cave braucht, um ihr Potenzial auszuschöpfen, ist eine Geldspritze. Jean sagt zum Beispiel, dass genug Grund vorhanden wäre, um die Ausdehnung des Weinbergs zu verdoppeln. Er benötigt außerdem moderne Ausrüstung zur Ankurbelung der Weinproduktion, damit sie Gewinn abwerfen kann. Die Frage ist«, fasste Gerard zusammen, »ob Sie den Weinberg und das Château in die Zukunft führen wollen. Bei beiden handelt es sich um zeitintensive, kostspielige Projekte.«
Emilie lauschte in die Stille. Nicht der leiseste Windhauch war zu spüren. Zum ersten Mal seit dem Tod ihrer Mutter empfand sie so etwas wie innere Ruhe.
»Danke für Ihre Hilfe, Gerard. Ich glaube nicht, dass ich Ihnen schon eine Antwort geben kann«, erklärte sie. »Wenn Sie mich vor zwei Wochen gefragt hätten, wäre ich wohl der Meinung gewesen, dass ich verkaufen will. Aber jetzt …«
»Verstehe.« Gerard nickte. »Ich kann Sie nicht emotional beraten, Emilie, nur finanziell. Vielleicht beruhigt es Sie, wenn ich Ihnen sage, dass der Verkauf des Pariser Hauses und der Dinge darin sowie des Schmucks Ihrer Mutter nicht nur die Kosten für die Sanierung des Châteaus decken, sondern darüber hinaus genug abwerfen würde, um Ihnen den Rest Ihres Lebens ein beträchtliches Einkommen zu sichern. Außerdem wäre da noch die hiesige Bibliothek«, fügte er hinzu. »Ihr Papa hat sich nicht sonderlich für die Erhaltung seiner Häuser interessiert; sein wahres Erbe steckt darin. Er hat auf einer bereits bestehenden Sammlung seltener Bücher aufgebaut. Nach einem Blick in seine Unterlagen glaube ich behaupten zu können, dass er den Bestand verdoppelt hat. Ich kenne mich nicht mit alten Büchern aus, nehme jedoch an, dass die Sammlung sehr wertvoll ist.«
»Davon würde ich mich nie trennen«, erklärte Emilie mit für sie selbst überraschend fester Stimme. »Sie sind das Lebenswerk meines Vaters. Als Kind habe ich viele Stunden mit ihm in der Bibliothek verbracht.«
»Es gibt auch keinen Grund, warum Sie sich davon trennen sollten. Aber falls Sie das Château nicht behalten wollen, müssten Sie sich vermutlich einen geräumigeren Ort als Ihre Pariser Wohnung suchen, um die Bibliothek unterzubringen.« Gerard schmunzelte. »Ich habe Hunger. Begleiten Sie mich zum Abendessen nach Gassin? Ich breche morgen früh auf und muss, mit Ihrer Erlaubnis, die Papiere im Schreibtisch Ihres Vaters durchgehen, um mich weiter über die finanzielle Lage zu informieren.«
»Gern«, sagte Emilie.
»Zuerst werde ich einige Anrufe erledigen«, entschuldigte er sich. »Wir sehen uns in einer halben Stunde unten.«
Emilie sah Gerard nach, wie er im Haus verschwand. Obwohl sie ihn ihr ganzes Leben lang kannte, fühlte sie sich in seiner Gegenwart befangen. Als Kind war sie mit ihm umgegangen wie mit jedem Erwachsenen. Die direkten Gespräche mit ihm waren eine neue, ungewohnte Erfahrung.
Als sie ebenfalls ins Haus ging, wurde Emilie klar, dass sie sich bevormundet fühlte, obwohl sie wusste, dass Gerard ihr nur helfen wollte. Manchmal erkannte sie in seinem Blick etwas, das sie nur als Ressentiments deuten konnte. Vielleicht hatte er das Gefühl – wer konnte ihm das verübeln –, dass sie nicht in der Lage war, das Erbe der de la Martinières mitsamt dem Ballast der Geschichte anzutreten. Emilie war sich schmerzlich bewusst, dass sie nicht den Glamour ihrer Vorfahren besaß. Obwohl sie in eine außergewöhnliche Familie hineingeboren worden war, hatte sie nur den Wunsch, ganz normal zu erscheinen.
3
Früh am nächsten Morgen hörte Emilie von dem Bett aus, in dem sie seit ihrer Kindheit schlief, wie sich Gerards Wagen vom Château entfernte. Weil die Fenster des Raums nach Nordwesten gingen, drangen nur wenige Strahlen der Morgensonne herein. Eigentlich, dachte sie, gab es nun keinen Grund mehr, warum sie nicht in eines der großen, schönen Zimmer an der Vorderseite des Hauses mit Blick auf den Garten und die Weinberge umziehen sollte.
Frou-Frou, die am Abend zuvor so lange gewinselt hatte, bis sie bei ihr im Bett schlafen durfte, signalisierte Emilie mit einem Bellen,
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