Der Leberwurst-Mörder
darf.
Jule hat mein Lieblingsspielzeug mitgenommen, den gelben Ball mit der langen Schnur. Franco wirft ihn weit zwischen die Bäume, und ich renne los, mit wehenden Ohren und wedelndem Schwanz. Ist das abenteuerlich! Fast so aufregend, wie Mörder zu jagen, ist es, im Unterholz meinen Ball zu suchen. Wie mir scheint, wirft Franco immer extra weit, um mit Jule ungestört zu sein. Sie laufen nebeneinander her, tuscheln und kichern, strahlen sich an und sehen sehr glücklich aus. Einmal muss ich besonders lange nach meinem Ball suchen, weil Franco ihn über einen kleinen Bach hinüber mitten in eine Lichtung voller Farnkraut geworfen hat. Ich schnüffele und suche und kämpfe mich durch das Grünzeug, das höher gewachsen ist, als ich groß bin. Als ich endlich stolz und glücklich zu den beiden zurückkehre, haben sie leuchtend rote Wangen und sehen irgendwie verändert aus. Ich glaube, ihren ersten Kuss habe ich gerade verpasst.
So ein Waldspaziergang macht hungrig, darum finden wir uns wenig später im »La Statione« ein, wo Maria uns hocherfreut begrüßt. Für mich gibt es heute zum Wassernapf sogar ein Schälchen Pasta. »Extra ohne Salz gekocht«, wie Maria betont. Ich fühle mich fast wie im Hundehimmel nach diesem aufregenden Tag.
Zu Hause verziehe ich mich sofort in mein Hundekörbchen, das erstaunlicherweise katzenfrei ist, weil die Kleinen im Gästezimmer auf Carlas Bett schlafen. Sie vermissen Jules Mutter doch nicht etwa? Ganz entfernt bekomme ich noch mit, wie Jule und Franco auf dem Sofa weiterreden und irgendwann die Katzenkinder doch wieder zu mir ins Körbchen kriechen. Was gibt es Schöneres, als nach einem aufregenden Tag glücklich einzuschlafen?
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Kapitel 20
Nebel
Am nächsten Morgen sieht die Welt aus wie in Watte gepackt. Das Ende des Sommers kündigt sich nun überdeutlich an, indem Nebel in langen Schwaden vom See her in die Stadt zieht. Die Sonne dringt gar nicht mehr richtig durch. Bei unserem Morgenspaziergang im Park spielen wir Verstecken. Schnüffelnasen können auch im Nebel alle Spuren finden, und so hat Jule keine Chance, ich finde sie immer, egal, wie gut sie sich auch zu verstecken glaubt. Wenn ich sie auch hinter dem dicken Baumstamm nicht sehe, so kann ich sie doch riechen.
Kaum sind wir wieder im Haus, setzt Jule sich mit ihrer Kaffeetasse an ihren Schreibtisch. Sie meint wohl, sie hätte nach der Aufregung der letzten Tage eine Menge nachzuholen, und vertieft sich in ihr Kinderbuch, während ich für die Katzenkinder das Klettergerüst spiele. So vergeht der Vormittag, bis ich irgendwann bemerke, dass Jule unruhig wird. Sie rutscht auf ihrem Stuhl hin und her, starrt gebannt auf den Bildschirm ihres Notebooks, springt plötzlich auf, holt sich noch einen Kaffee und starrt wieder in ihren Computer.
Das Telefon klingelt, und Jule zuckt erschreckt zusammen. Leider verstehe ich nur Jules Worte, und nicht, was Mara am anderen Ende der Leitung antwortet.
»Ach, Mara, hast du mich erschreckt.«
»Ja, ich wollte dich auch gerade anrufen. Ich bin da über was gestolpert.«
»Super. Das passt. Dann bis gleich!«
Bis gleich? Heißt das etwa, dass wir zu Mara fahren? Ganz aus dem Häuschen vor Freude springe ich an Jule hoch und vergesse dabei die Katzenkinder, die maunzend von mir herunterpurzeln, aber auf dem weichen Teppich sanft landen. Doch Jule macht keine Anstalten, sich auf den Weg zum Bahnhof zu begeben. Schade. Dann muss ich mich eben wieder meinem quietschenden Gummihuhn widmen und darauf herumkauen, bis Jule genervt
Rika, aus!
ruft und mein neues Spielzeug oben auf den Küchenschrank legt. Schade, nun kann ich das Quietschehuhn nur noch anschauen und ihm sehnsüchtige Blicke zuwerfen.
Als es eine ganze Zeit später an der Tür klingelt, verstehe ich. Nicht wir fahren zu Mara, sondern sie kommt zu uns! Da steht sie nämlich schon mit Nino und Flocke vor der Tür.
Es folgt eine stürmische Begrüßung, als ob wir uns ewig nicht gesehen hätten. Ich bin sehr froh, die beiden alten Hunde so ausgelassen zu sehen. Mara lacht über das Getümmel und tobt mit mir besonders wild und fröhlich herum. Als endlich alle Tiere auf dem Teppich liegen, lässt sie sich lachend und keuchend auf das Sofa fallen. Doch Jule gönnt ihr keine Ruhepause, zieht ihre Freundin an der Hand wieder hoch und hinüber zu ihrem Schreibtisch.
»Da, sieh selbst«, deutet sie auf den Bildschirm. »Hab die Memorysticks verwechselt und bin noch mal in Lianes Mails
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