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Der Leichenkeller

Der Leichenkeller

Titel: Der Leichenkeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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überprüft. Fernseher, CD-Spieler – alles noch da. Über Ihre persönlichen Sachen – Bargeld, Schmuck – weiß ich nicht Bescheid. Aber ich dachte, Sie würden die hier brauchen.«
    Streeter reichte mir meine Gummistiefel. Ich schlüpfte aus den feuchten Mokassins in die schweren Stiefel.
    »Ich würde gerne rüberfahren, wann immer Sie Zeit haben. Ich hatte keine Wertsachen bei mir.« Ich glaubte nicht, dass mein ungebetener Gast ein harmloser Dieb war, aber es hatte keinen Sinn, das jetzt mit Streeter zu diskutieren.
    »Na, dann bleiben Sie hier und fühlen Sie sich wie zu Hause. Unten an der Texaco-Tankstelle gibt es Doughnuts. Ich befürchte, mehr können wir Ihnen vorerst nicht bieten.«
    »Hört sich wunderbar an.«
    »Kennen Sie die Fotos von dem Sturm im Jahr 1938, der halb Menemsha davongespült hat und dem Dutzende von Menschen zum Opfer gefallen sind?«
    Ich bejahte.
    »Gehen Sie mal zum Strandparkplatz. Den gibt’s nicht mehr. Alles voller Sand, Felsbrocken und toter Fische. Dann verstehen sie, warum damals so viele Leute ums Leben gekommen sind. Dagegen ist Ihre letzte Nacht nur halb so schlimm.«
    Von der Polizeiwache war es nur eine kurze Strecke, vorbei an den geschlossenen Läden und Fischgeschäften, bis zum Benzindock in der Marina. Ich erschrak, mit welcher Zerstörungswut Gretchen diesen Landstrich heimgesucht hatte. Erst vorgestern Abend war ich hier entlanggefahren; jetzt war die Straße teilweise überspült und kaum noch zu erkennen.
    Ich stapfte durch die kniehohen Sandhaufen und passte auf, nicht auf die Krebse und Schalentiere zu treten, die von den Wellen zermalmt worden waren. Die Unicom und Quitsa Strider , wuchtige Fischerboote aus Stahl, hatten den Sturm gut überstanden. Aber viele der alten Hütten am Wasser hatten Schindeln und Fensterläden eingebüßt, und überall stachen Holzplanken aus dem Sand hervor.
    Der einsame Vorposten am Ende der Straße war ein kleines graues Gebäude gleich hinter der Hafenmeisterei. Auf der Landseite waren die Zapfsäulen halb unter dem begraben, was einmal der Strand von Menemsha gewesen war. Auf der Seeseite – auch Squid Row , Straße der Tintenfische, genannt – tankten die Boote auf, bevor sie durch die Bucht, vorbei an der so genannten Teufelsbrücke, durch den Vineyard-Sund aufs Meer hinausfuhren. Jeden Vormittag saßen dort auf den Bänken die Oldtimer und spannen ihr Seemannsgarn, während die Kabinenkreuzer und Fischerboote um einen Platz am Dock wetteiferten.
    Die sechzehnjährige Cassie, die normalerweise mein Auto auftankte, hielt mir die Tür auf, als sie mich antraben sah. »Hey, Alex, der Wahnsinn letzte Nacht, oder?«
    »Allerdings. Du warst hoffentlich zu Hause bei deinen Eltern.«
    »Ja. Ich bin heute Morgen hergefahren, aber ich musste das Auto oben auf dem Hügel stehen lassen und das letzte Stück zu Fuß laufen wegen dem ganzen Sand und so. Ich hab bei Humphrey’s ein paar Sachen geholt«, sagte sie und lupfte den Deckel von einer Schachtel mit Gebäck und Backwaren. »Wir haben einen kleinen Generator, also gibt’s frischen Kaffee. Bedienen Sie sich.«
    Sie steckte den Kopf durch die Tür, die zum Dock hinausführte. »Hey, Ozzie!«, rief sie einem der alten Seebären zu, der an der Shopmauer saß. »Sag mir Bescheid, wenn dieses Riesending reinschippert. Die will ich nicht verpassen.«
    »Sie ist die Nächste. Komm raus!«, war die Antwort.
    »Wollen Sie mal echt ’n Wahnsinnsteil sehen?«, fragte sie mich. »Da draußen ist ’ne Luxusyacht, die auftanken will.«
    Ich schenkte mir einen Becher Kaffee ein, nahm drei Zuckerkringel und ging hinaus aufs Dock. Ich begrüßte einige der Stammgäste, die sich bereits an ihrem Aussichtsplatz am Wasser eingefunden hatten. Die Landseite würde in nächster Zeit uninteressant für sie sein.
    Als ich auf die Squid Row hinaustrat, lag die Yacht mit dem glänzenden schwarzen Rumpf auftankbereit mit dem Heck am Dock.
    Die goldenen Buchstaben glänzten in der Sonne. Der Name des Schiffes war Pirate , sein Heimathafen Nantucket. Graham Hoyts Yacht.
    Ich schloss die Augen und dachte an letzte Nacht. Hätte es womöglich Graham Hoyt sein können? Schließlich war er es gewesen, der mir geraten hatte, wegen des Sturms hierher zu kommen.
    Der Erste Maat und der Steward, beide in blendend weißen Sweatshirts, die mit Namen und Umriss der Yacht bedruckt waren, banden sie am Pier fest. Cassie wollte sich nützlich machen und bot ihre Hilfe an.
    Ich fing auch an, mit ihnen zu plaudern,

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