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Der leiseste Verdacht

Der leiseste Verdacht

Titel: Der leiseste Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Brink
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hasste.
    »So kannst du doch nicht rumlaufen, wenn sie kommen.«
    »Warum denn nicht? In diesem Aufzug empfange ich alle Polizisten, das weißt du doch.«
    »Nicht heute und nicht, wenn ich zu Hause bin. Wenn du dich nicht umziehst, will ich nicht, dass du dabei bist.«
    »Also gut, aber zuerst massiere ich dir den Nacken.«

    Als Katharina zwanzig Minuten später einen Wagen hörte und aus dem Fenster schaute, sah sie, dass sie zu viert kamen. Doch als sie die Tür öffnete, erblickte sie nur Roffe und einen älteren Herrn mit Sonnenbrille.
    Roffe machte einen leicht verkrampften Eindruck, als behage ihm die ganze Situation nicht.
    »So, da sind wir«, rief er mit erzwungener Munterkeit. »Wir sind etwas in Eile und wollen euch nicht lange stören … Darf ich dir Regierungsdirektor Lennart Roos vorstellen.«
    Roos streckte ihr seine gepflegte Hand entgegen und lächelte verhalten. Katharina spürte einen festen Händedruck, der etwas zu lang währte, um förmlich zu sein. Sie trat einen Schritt zur Seite und ließ ihre Gäste ins Wohnzimmer vorausgehen, wo sie eine vage Geste in Richtung Sofa machte, doch den beiden 442

    Männern war deutlich anzumerken, dass sie lieber stehen bleiben wollten.
    »Wo ist PM?«, fragte Roffe.
    »Hier bin ich.«
    Patrik erschien sorgfältig gekleidet in der Schlafzimmertür, ging auf Roos zu und begrüßte ihn. Ohne direkt unhöflich zu wirken, zog er sich danach an das andere Ende des Raumes zurück und stellte sich halb abgewandt vor das Fenster, um zu signalisieren, dass er sich aus dem Gespräch heraushalten wolle.
    Katharina warf dem geheimnisvollen Roos, dessen Eleganz sie ebenso überraschte wie faszinierte, einen verstohlenen Blick zu.
    Eine zweifellos interessante Erscheinung. Wie ein distinguierter Mafiaboss, dachte sie. Im Film wäre er die Idealbesetzung eines sympathischen Ganoven. Sie spürte, dass er sie hinter den dunklen Brillengläsern eingehend musterte. Eine gespannte Stille legte sich über den Raum.
    »Dann legen wir los«, sagte Roffe aufgekratzt, als wäre er der Moderator in einem Fernsehquiz. »Du wolltest uns etwas mitteilen, das mit dem Toten in der Jauchegrube in Verbindung steht?«
    »Ja …«, begann Katharina mit brennenden Wangen. »Ich glaube, ich weiß, wer dort gefunden wurde.«
    »Aha?«
    »Bengt Nygren.«
    Sie bemerkte, wie Roffe kurz zu Roos hinübersah, ehe er wiederholte: »Bengt Nygren?«
    »Ja, und ich habe gute Gründe für meine Annahme. Ich glaube, dass der Mann, der vorgibt, Bengt Nygren zu sein, ein anderer ist.«
    Roffes Mienenspiel zeugte von kontrollierter Irritation an der Grenze zur Verärgerung, als wolle er sagen: Natürlich ist er ein anderer, aber sprich jetzt nicht darüber.
    443

    Roos nahm plötzlich seine Sonnenbrille ab und sah ihr in die Augen. Was es ihr nicht einfacher machte. Seine Augen waren neugierig und freundlich zugleich, und wenn sie sich nicht täuschte, lag sogar ein gewisser Humor in ihnen.
    »Eine interessante Theorie«, sagte er anerkennend. »Es würde mich sehr interessieren, wie Sie darauf gekommen sind.«
    Katharina schaute ängstlich zu Patrik hinüber, dessen Miene ihr genau die Gelassenheit vermittelte, die sie benötigte.
    »Das ist nicht so leicht zu erklären …«, entgegnete sie vage.
    »Diese … Theorie ist das Ergebnis eines langes Prozesses. Ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass mit ihm etwas nicht stimmt, doch erst am gestrigen Tag wurde aus diesem Gefühl so etwas wie Gewissheit.«
    Roos nickte aufmunternd, während Roffe düster auf seine Schuhe starrte.
    Sie skizzierte in aller Schnelle ihr Verhältnis zu Astrid Enoksson in Äsperöd, erzählte von deren erstaunlicher Begeisterung für den sympathischen Bengt Nygren, der ihr Geschäft ein einziges Mal betreten hatte, um danach in der Versenkung zu verschwinden.
    »Er hat einen großen Eindruck auf sie gemacht, zumal er ihrem verstorbenen Mann glich, der seit mehreren Jahren tot ist.
    Ich konnte ihre Begeisterung für Nygren nicht nachvollziehen, denn ich habe zwar nichts gegen ihn, doch sonderlich sympathisch, aufgeschlossen oder gesprächig ist er mir noch nie vorgekommen. Auch eine Ähnlichkeit mit ihrem verstorbenen Mann konnte ich beim besten Willen nicht feststellen. Astrid hatte Nygren seit dessen einmaligem Besuch im Herbst nicht wiedergesehen, doch gestern erzählte sie mir, sie habe bei einem Ausflug nach Knigarp einen Mann gesehen, den sie für den neuen Vorarbeiter hielt. Der alte wurde ja inzwischen festgenommen

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