Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der leiseste Verdacht

Der leiseste Verdacht

Titel: Der leiseste Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Brink
Vom Netzwerk:
denn?«
    439

    Er lehnte sich zurück, verschränkte die Hände hinter dem Nacken und betrachtete sie mit halb geschlossenen Lidern.
    »Im Herbst kam ein Kunde in ihr Geschäft, den sie noch nie gesehen hatte. Er war gesprächig und sympathisch und erinnerte sie zudem an ihren verstorbenen Mann. Er nannte seinen Namen und stellte sich als neuer Eigentümer von Hof Knigarp vor. Dass er eine Menge Waren kaufte, machte ihn Astrid natürlich nicht unsympathischer. Dann erblickte er Svens Hunde und war auf Anhieb begeistert. Solche wollte er sich auch zulegen. Er kündigte an, ein anderes Mal wiederzukommen, um mit Sven über die Hunde zu reden, und Astrids Herz schlug an diesem Tag ein wenig schneller als üblich, denn einen so viel versprechenden neuen Kunden lernt man nicht alle Tage kennen.
    Doch weit gefehlt. Es vergingen Wochen und Monate, in denen der sympathische Herr Nygren lediglich durch Abwesenheit glänzte. Auch bei Sven meldete er sich nicht. Das war natürlich eine große Enttäuschung für Astrid, die mit der Launenhaftigkeit ihrer Kundschaft allerdings bestens vertraut ist. Wenn sie hin und wieder etwas von Nygren hörte, dann nur von Nisse, aber da der ein alter misanthropischer Querulant ist, der noch über jeden Arbeitgeber hergezogen ist, gab sie nichts auf sein Gerede.
    Sicher versuchte sie manchmal etwas aus Kalle und Signe herauszubekommen, aber die wussten nicht viel zu berichten.
    Nygren blieb eine einmalige, glückliche Episode in ihrem einförmigen Dasein, die mehr und mehr in Vergessenheit geriet.
    Doch im Frühjahr geschah etwas Sensationelles, eine Leiche wurde auf Knigarp aus der Jauchegrube gezogen. Man kann sich denken, wie Astrid sich vor ihren Kunden ins Zeug legte: Dass sie Nygren persönlich kennt und wie reizend und höflich er ist und was für ein schreckliches Pech er auch hat und so weiter und so fort. Das Thema ist kaum richtig ausgeschlachtet, als die nächste Sensation geschieht: Der Vorarbeiter auf Knigarp, natürlich ein Ausländer, wird von der Polizei mit einem halben Kilo Kokain erwischt. Grässlich! Armer Nygren! Ein Mann, der 440

    wirklich vom Pech verfolgt wird. Man kann verstehen, dass sich Astrid nichts sehnlicher wünscht, als den Mann wiederzusehen, der in aller Munde ist und den sie selbst so sympathisch fand.
    Und eines Tages bietet sich ihr eine passende Gelegenheit. Sie macht mit Annas Schwiegereltern einen Ausflug, der sie zufällig an Knigarp vorbeiführt. Da liegt es doch auf der Hand, dass sie aussteigen müssen, um die herrliche Aussicht zu genießen, und wer weiß, vielleicht läuft ihnen ja sogar der Besitzer des Hofs über den Weg. Doch leider hatte sie kein Glück und musste sich mit der Aussicht begnügen. Zwar sah sie einen Mann, aber Nygren war es nicht. Vermutlich sein neuer Vorarbeiter. Denn Astrid ging davon aus, dass er Marco Fermi rasch ersetzen würde. Wenige Tage später betrittst du ihr Geschäft, und ihr kommt auf das Thema zu sprechen. Du hast später nicht mehr darüber nachgedacht, doch als du Nygren zufällig nach seinem neuen Vorarbeiter fragst und ihm erzählst, Astrid hätte ihn gesehen, reagiert er ganz und gar unverständlich und so weiter.
    Wie auch immer, die Sache hat dir keine Ruhe gelassen, und jetzt hast du deine Schlüsse gezogen, die vollends mit dem übereinstimmen, was dir dein Unterbewusstsein von Anfang an signalisiert hat.«
    »Meinst du wirklich, dass ich sagen soll, ich sei einzig und allein durch Astrids Aussagen darauf gekommen?«
    »Und durch deine eigenen Beobachtungen. Anlass zur Verwunderung hat dir Nygren doch genug gegeben.«
    »Nygren wird eine andere Version der Ereignisse erzählen.«
    »Selbstverständlich. Dann steht dein Wort gegen seines. Aber ich vermute, der muss sich jetzt noch um ganz andere Dinge kümmern.«
    »Ich habe Lampenfieber.«
    »Iss dein Brot auf, dann kümmere ich mich um deinen verspannten Nacken. Du wirst in Topform sein, wenn sie kommen.«
    441

    »Versprichst du mir hoch und heilig, kein Wort über paranoide Agenten zu verlieren?«
    »Versprochen! Eigentlich habe ich überhaupt keinen Grund, den Mund aufzumachen. Du bist die große Detektivin. Das ist dein Tag. Ich halte mich diskret im Hintergrund und sorge dafür, dass ihre Bewunderung und Dankbarkeit keine Grenzen kennen wird.«
    Katharina wurde plötzlich auf seine Kleidung beziehungsweise deren betrüblichen Mangel aufmerksam. Patrik trug nichts anderes als seinen ausgefransten, verschlissenen Bademantel, den sie von Herzen

Weitere Kostenlose Bücher