Der leiseste Verdacht
weiß ich nicht? Ich denke an nichts anderes.«
Er sprang plötzlich auf und warf die Decke beiseite.
»Weißt du, was das Schlimmste ist? Dass sie glaubt, die ganze Geschichte mit Axel sei ausgestanden. Dass sie glaubt, alles würde wieder gut werden … und dass ich diese Seitensprünge nicht mehr nötig hätte … das habe ich auch geglaubt. In die Sache mit Marianne bin ich einfach so reingeschlittert und dachte, ich käme mit ein paar Gewissensbissen davon. Ich habe schreckliche Angst davor, wie sie reagieren wird. Vielleicht hat sie endgültig die Schnauze voll von mir.«
102
Unerwartet verspürte Roffe einen wachsenden Zorn auf den Freund und wollte ihm einen weiteren Schlag versetzen.
»Du bist dir doch darüber im Klaren, dass Marianne Wester als eine Art Edelnutte betrachtet werden muss?«
PM schüttelte den Kopf. »Nein, das wusste ich nicht.
Zumindest damals nicht. Zugegeben, nach all den Sauftouren mit Axel hätte ich einen gewissen Verdacht schöpfen können.«
Roffe schaute auf seine Hände und lachte leise.
»Für jemanden mit so viel Erfahrung bei den Frauen bist du ganz schön naiv, nicht wahr?«
»Herrgott, ich war doch stockbesoffen.«
Roffe hob den Kopf und sah PM in die Augen.
»Unter diesen Umständen ist ein gewisses Ansteckungsrisiko wohl nicht auszuschließen«, sagte er. »Auch Katharina wird daran denken.«
PM sank zurück und sah vollkommen resigniert aus.
»HIV?«
»Das riskiert man heutzutage.«
»Was kann ich jetzt noch dagegen tun?«
Roffe bereute seine Schroffheit und sagte mit ruhiger Stimme:
»In solch einem Fall werden einige Routineuntersuchungen durchgeführt. Ich werde mich gleich morgen informieren, was ihre Blutprobe ergeben hat, und dir dann Bescheid geben.
Außerdem gibt es momentan noch so viele offene Fragen. Du darfst nicht glauben, dass sich die Ermittlungen nur auf dich konzentrieren.«
»Ich danke dir. Was machen jetzt deine Kollegen in Stockholm?«
»Die stellen erst mal ihre Wohnung auf den Kopf und verhören ihren Bekanntenkreis, der ziemlich groß sein dürfte. In Anbetracht ihres Berufs ist nicht auszuschließen, dass es 103
mehrere Menschen gibt, die ein Motiv hätten, sie aus dem Weg zu räumen.«
PM blickte auf. »Ich verstehe auch gar nicht, warum ausgerechnet ich auf einmal so interessant sein soll. Ich kannte sie doch kaum und hatte kein Ahnung, was für ein Leben sie führte.«
Roffe seufzte und sagte geduldig: »Was dich in den Augen der Polizei so interessant macht, ist ihre Andeutung, du könntest Axel Hemberg getötet haben, nachdem du sie gezwungen hattest, dir seine Adresse zu verraten. Dass ihr nach dieser Unterstellung der Hals durchgeschnitten wurde, verleiht ihr natürlich zusätzliches Gewicht.«
»Und wenn gar nicht sie es war, die den Brief geschrieben hat?«
»Du sagst es. An diese Möglichkeit habe ich auch schon gedacht.«
PM stand auf und begann unruhig auf und ab zu gehen.
»Warum seid ihr euch so sicher, dass der arme Teufel in der Jauchegrube ermordet wurde?«, fragte er. »Dieser Pole, zum Beispiel, von dem alle glauben, er sei abgehauen … Es könnte doch sein, dass er aus Versehen in die Grube fiel, als er die Jauche abpumpen wollte.«
Roffe unterdrückte ein Gähnen und schaute auf die Uhr. Es war beinahe zehn. Er wollte zum Ende kommen. Zumindest wollte er um elf zu Hause sein, so wie üblich.
»Das wäre natürlich die bequemste Lösung«, sagte er. »Meine Lieblingstheorie sozusagen. Aber alles deutet auf einen Mord hin. Beim Leeren der Grube sind wir auf ungefähr zwanzig Kilo Steine gestoßen, ziemlich große Brocken. Die weitere Untersuchung hat ergeben, dass sie in den Kleidern gesteckt haben, um den Körper am Boden zu halten. Als Nisse Hallman dann mit einer Stange rumgestochert hat, ist der Stoff zerrissen, 104
und die Leiche trieb nach oben. Die Steine blieben auf dem Grund liegen.«
PM tigerte weiter hin und her, während er sich mit den Händen fortwährend durch die Haare fuhr.
»Und jetzt glauben alle, dass es Axel Hemberg war, den Nisse aus der Jauche gefischt hat«, sagte er.
»Ganz und gar nicht«, erwiderte Roffe. »Wir beschäftigen uns mit den verschiedensten Theorien, das habe ich doch schon gesagt.«
PM blieb vor Roffe stehen. »Mit welchen?«
»Wie ich dir neulich schon erzählt habe, gibt es jede Menge Hinweise aus der Bevölkerung. Die meisten bringen uns natürlich nicht weiter, aber es bleiben doch einige übrig, denen sich nachzugehen lohnt. Diesen Polen, der
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