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Der leiseste Verdacht

Der leiseste Verdacht

Titel: Der leiseste Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Brink
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und ebenso schwergewichtig wie sein Dackel. Er war bedeutend kleiner als seine Frau, hatte einen imposanten Stiernacken, recht lange Arme und einen extrem niedrigen Haaransatz, was bei Wagnhärad gewisse Assoziationen auslöste. Doch am meisten stach ihm Sandströms aggressive Physiognomie ins Auge.
    Sandström ersparte sich eine Begrüßung, blickte seine Besucher streitlustig an und blaffte: »Es passt mir ganz und gar nicht, dass Sie hier in der Gegend rumlaufen und meine 189

    Nachbarn ausfragen. Ist wirklich kein Vergnügen, nach Hause zu kommen und zu hören, dass man von der Polizei gesucht wird. Mit der Leiche, die da gefunden wurde, habe ich nicht das Geringste zu tun. Ich habe den Hof vor über einem halben Jahr verkauft und meinen Fuß seitdem nicht mehr auf das Grundstück gesetzt.«
    Frau Sandström versuchte zu vermitteln. »Der Polizei ist sicherlich klar, dass du nichts mit der Leiche zu tun hast«, sagte sie begütigend. »Das ist bestimmt eine reine Routinemaßnahme.
    Bitte, kommen Sie doch ins Wohnzimmer. Wir brauchen doch nicht hier im Flur stehen zu bleiben.«
    Das Wohnzimmer bestätigte Wagnhärads Befürchtungen. Die Sitzgruppe, auf der sie Platz nahmen, bestand aus reiner Synthetik. Auf dem Couchtisch thronte eine Schale mit vertrockneten, staubigen Orangen. Der traurige Dackel machte es sich zu Füßen seines Frauchens bequem.
    Bergh legte seinen Notizblock auf die Knie, während seine Augen diesen vollkommen leeren, nach innen gekehrten Ausdruck annahmen, der nie aufhörte seine Kollegen zu faszinieren. Wagnhärad wandte sich an Ragnar Sandström: »Ein Kollege von mir hat bereits am neunzehnten April, dem Tag, an dem die Leiche gefunden wurde, versucht, Sie zu erreichen.
    Nachdem wir uns eine Woche lang vergeblich bemüht hatten, mit Ihnen Kontakt aufzunehmen, haben wir uns an Ihre Nachbarn gewandt. Als diese uns erklärten, Sie seien im Urlaub, waren wir gewissermaßen beruhigt und wussten, dass wir in Ruhe abwarten konnten, bis Sie zurückkommen.«
    Märta Sandström, die einen erschrockenen Laut von sich gegeben hatte, schlug sich die Hand vor den Mund. Mit großen Augen starrte sie die beiden Polizisten an.
    »Sie haben doch wohl nicht geglaubt, dass es mein Mann war, den sie dort gefunden haben …«
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    »Wir glauben gar nichts, müssen aber immer alle Möglichkeiten in Betracht ziehen«, sagte Wagnhärad, der spürte, dass sie psychologisch im Vorteil waren.
    »Hat man die Leiche denn schon identifizieren können?«, fragte sie interessiert.
    Wagnhärad antwortete nicht, sondern wandte sich wieder ihrem Mann zu.
    »Von Juli bis September letzten Jahres hat bei Ihnen auf dem Hof ein Pole gearbeitet. Ich möchte wissen, wann genau er aufgehört hat und was er danach machte.«
    Das Gesicht Sandströms, der seit seinem ersten Zornausbruch eine schmollend-abwartende Haltung eingenommen hatte, färbte sich unter der Sonnenbräune dunkelrot. Schwerfällig rutschte er auf dem Sofa hin und her.
    »Woher soll ich das wissen?«, maulte er. »Mir hat er nicht gesagt, wo er hin wollte.«
    »Aber wann er aufgehört hat, werden Sie mir doch sagen können.«
    »Darauf kann ich auch antworten«, schaltete sich Frau Sandström beflissen ein. »Ich kann mich genau daran erinnern, dass er am dreiundzwanzigsten September aufgehört hat, das war ein Freitag. Wir hatten das von Anfang an so verabredet, weil wir ja wussten, dass wir den Hof am Ende des Monats abgeben würden. Ich weiß, dass es ein Freitag war, weil Ragnar an diesem Tag Geburtstag hatte und sein Bruder mit seiner Familie bei uns zu Besuch war. Sie wollten uns auch beim Umzug helfen, und ich fand es schön, dass die Kinderhütte mal wieder benutzt wurde.« Sie lachte affektiert. »Die haben wir aus Spaß so genannt. Es ist eine hübsche kleine Hütte, die zwischen dem Wohngebäude und den Schweineställen liegt. Ragnars Bruder hat vier Kinder im Teenageralter, und sie wollten zwar nur für zwei Nächte bleiben, denn die Kinder mussten ja wieder zur Schule, aber für uns Erwachsene war es doch sehr 191

    entspannend, sie nicht die ganze Zeit im Wohngebäude zu haben, in dem sich bereits die Kisten stapelten.«
    Wagnhärad schaute auf seinen Notizblock und sagte: »Ich habe hier andere Angaben. Zwei Personen haben ausgesagt, dass der Pole seit dem zwanzigsten September nicht mehr gesehen wurde. Das war der Dienstag.«
    »Das verstehe ich nicht«, sagte sie. »Wer behauptet das?«
    »Nils Hallman und Ihr ehemaliger Nachbar Karl

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