Der leiseste Verdacht
langen Autofahrt.
Als sie endlich die hohen Linden bei Knigarp erblickte, verspürte sie dennoch Freude, bald zu Hause zu sein. Das Rot der Schweineställe leuchtete in der grünen Landschaft. Sie drosselte die Geschwindigkeit und bog auf den kleinen Weg ab.
Zwei Männer standen neben den Futtersilos, deren größeres nahe am Weg lag. Nygren und Marco. Nygren verschwand im Stall, während Marco ihr entgegenlief. Katharina fluchte, während ihr kalter Schweiß über den Rücken lief. Was sollte sie jetzt tun? Marcos Gestik war unmissverständlich. Er wollte, dass sie anhielt. Er erreichte den Weg und winkte sie freundlich zu sich heran. Das war zu viel für sie. Was sollte sie ihm sagen?
Vielleicht: »Hallo, ich habe gerade deine misshandelte Frau zum Bahnhof gebracht. Apropos, wen hast du heute Nacht eigentlich umgebracht? Kannte ich das Opfer?« Sie hielt an und kurbelte die Scheibe hinunter. Er beugte sich zu ihr in den Wagen und lächelte sie strahlend an.
»Hallo, Katharina. Kommst du aus der Stadt?«
Sein Akzent war kaum hörbar. Sie starrte auf seine gleichmäßigen weißen Zähne und nickte.
»Hast du Annika gesehen?«
Sie schüttelte den Kopf, wusste jedoch, dass sie auf der Hut sein musste, und sagte mit gespielter Neugier: »Ist sie nicht zu Hause?«
Durch Marcos Augen huschte ein Ausdruck der Verwunderung. Er zögerte.
»Ich dachte, sie wäre vielleicht mir dir in die Stadt gefahren.«
Katharina bemühte sich um eine verständnislose Miene.
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»Warum hätte sie das tun sollen?«, fragte sie und fügte rasch hinzu: »Ich war heute Nacht nicht zu Hause.«
Nun blickte er sie durchdringend, geradezu misstrauisch an.
»Ach so … als ich dich kommen sah, dachte ich, du wärst vielleicht in aller Frühe schon in die Stadt gefahren. Wie merkwürdig, das Auto hat sie nicht genommen.«
Sie suchte hilflos nach einem Satz, mit dem sie sich verabschieden konnte.
»Vielleicht … ist sie … mit jemand anderem in die Stadt gefahren. Oder sie geht nur spazieren.« Sie hörte, wie aufgesetzt ihre Stimme klang.
Er schien weder überzeugt noch beruhigt zu sein, trat jedoch einen Schritt zurück und sagte zögerlich: »Nun, sie wird schon zurechtkommen.«
Katharina rang sich zu einem halbherzigen Winken durch und ließ die Kupplung kommen. Die Kurve auf den kleinen Weg nahm sie mit zu hohem Tempo. Fast hätte sie die Kontrolle über das Fahrzeug verloren.
Sie fuhr durch das Tor, parkte direkt vor dem Haus und stellte den Motor ab. Die Begegnung mit Marco hatte alle Müdigkeit vertrieben. Sie war aufgewühlt und den Tränen nahe. Vorsichtig schloss sie die Autotür, wohl wissend, dass eine schlagende Autotür besser zu hören war als ein Motor. Sie schaute sich um.
Das offene Tor sah irgendwie anders aus als sonst. Als sie es eingehender betrachtete, sah sie, dass beide Flügel säuberlich und gerade in ihren Scharnieren hingen. Er hatte es in all seinem Kummer tatsächlich über sich gebracht, die alten, rostigen Scharniere auszutauschen. Der Hof machte nach dem Regen der Nacht einen sauberen und frischen Eindruck. Es tropfte immer noch von den Bäumen. Zu beiden Seiten der Gartentreppe blühten in verschwenderischer Pracht Herzblumen und Clematis, deren Blätter von winzigen Regentropfen bedeckt waren.
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Sie sog die klare Luft tief ein und lauschte der Stille. Lady Pamela tippelte mit ihren Jungen im Schlepptau um die Ecke.
Während sie anschmiegsam um Katharinas Beine strich, purzelten ihre Nachkommen auf der Wiese in spielerischem Gerangel übereinander. Erschöpft sank Katharina auf die Treppe. Welch ein Glück, dass es diesen Platz gab, und was für eine Ehre, so willkommen geheißen zu werden. Tränen liefen ihr über die Wange, und Lady Pamela, die auf ihren Schoß gehüpft war, musste ein paar verheulte Betrachtungen zu den Wechselfällen des Lebens über sich ergehen lassen.
Als sie nach einer Weile die Haustür hinter sich geschlossen und verriegelt hatte, schlich sie auf Strümpfen ins Schlafzimmer. Es war leer. Ihr Herz setzte einen Schlag aus.
Verwirrt starrte sie auf das einsame Bett, bis ihr ein Gedanke kam. Sie huschte zum Atelier, dessen Tür angelehnt war. Dort lag er auf der Couch, angezogen. Sie horchte gespannt. Doch, er atmete ruhig und friedlich.
Der Geruch frischer Ölfarbe war unverkennbar. Sie warf einen Blick auf die Staffelei. Ein neues Bild. Sie erinnerte sich, dass er von einer neuen Idee gesprochen hatte. Mit leisem Unbehagen stellte sie fest, dass er nicht
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