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Der leiseste Verdacht

Der leiseste Verdacht

Titel: Der leiseste Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Brink
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Sandström.«
    Er trat energisch auf die Haustür zu, sodass sie gezwungen war, sie freizugeben.
    Als sie wieder im Auto saßen, seufzte Wagnhärad demonstrativ auf.
    »Puh, was für ein Paar«, sagte er. »Wenn man die als Nachbarn bekäme, bliebe nur eine Wahl.«
    »Welche?«
    »Verkaufen und wegziehen. Was hältst du von Sandström?
    Könnte er den Polen auf dem Gewissen haben?«
    Bergh runzelte die Stirn und kratzte sich im Nacken. »Schon möglich. Dem würde ich jedenfalls nicht den Rücken zukehren, falls er mir Geld schuldete.«
    Wagnhärad sah ihn zustimmend an. »So kann man’s auch sagen. Ziemlich unangenehm, die beiden. Und ganz gleich, ob er’s war oder nicht, hat seine Frau einen ziemlich nervösen Eindruck gemacht. Die weiß doch genau, mit was für einem Ekel sie verheiratet ist, und bestimmt hält sie es auch für möglich, dass er diesen Kwiatkowski im Zorn oder aus Geiz erschlagen und in die Grube geworfen hat. Ihr ganzes Geschwätz, dass der Pole erst am Freitag gegangen ist, war doch sicher nur ein ungeschickter Versuch, ihrem Mann ein Alibi zu verschaffen, falls es für ihn eng werden sollte.«
    »Ist er nicht ein bisschen zu jung?«
    »Wer, Sandström?«
    200

    »Nein, der Pole.«
    »Doch, vermutlich schon. Sie sagte zwar, er sei so zwischen dreißig und fünfundvierzig gewesen, aber ich glaube mehr an die Angabe von Svanberg und Patrik Andersson. Die meinen beide, er sei um die dreißig gewesen, und das würde nicht unbedingt mit den Befunden der Pathologie übereinstimmen.
    Jedenfalls wissen wir jetzt auch seinen Namen. Du solltest mal bei der Einwanderungsbehörde nachfragen. Ist ja immerhin möglich, dass er sich hier legal aufgehalten hat. Wenn nicht, können wir es immer noch auf anderen Wegen versuchen. Ich habe trotzdem das Gefühl, wir sollten uns nicht weiter mit Herrn Kwiatkowski beschäftigen, sondern uns wieder Axel Hemberg zuwenden. Das ist vielversprechender. Aber erst mal sollten wir was essen, das haben wir uns verdient.«
    Wagnhärad startete den Wagen und fuhr in Richtung Zentrum.
    201

    17
    Am selben Tag
    Es war halb vier Uhr nachmittags. Katharina saß im Bett, auf ihren Beinen ruhte ein Tablett. Nachdem sie die Augen aufgeschlagen und Patrik mit dem Tablett erblickt hatte, hatte sie ihm einen Waffenstillstand angeboten, bis alle äußeren Bedrohungen abgewendet sein würden. Schweigend hatte er akzeptiert.
    Danach sprachen sie über Marika, die zu Hause angerufen und ihren leidlich beherrschten, doch tief erschütterten Vater an den Apparat bekommen hatte. Dank ihrer Fähigkeit, auch Unter- und Nebentöne herauszuhören, war ihr natürlich nicht entgangen, dass es um die Beziehung ihrer Eltern schlecht bestellt war.
    Katharina und Patrik waren überein gekommen, sie in ihre private Situation einzuweihen, den Mordverdacht gegen Patrik jedoch zu verschweigen. Katharina übernahm die heikle Aufgabe, mit ihr zu reden.
    Sie hatte einen Bärenhunger und im Nu vier Butterbrote verschlungen. Während sie aß, stand Patrik am Fenster und betrachtete sie. Das weiche Nachmittagslicht stand wie ein Glorienschein über seinen dunkelblonden Haaren. Sein Gesicht lag im Schatten, während seine intensiven Augen von innen zu leuchten schienen. Katharina fand ihn verstörend attraktiv und begehrenswert, war hin und her gerissen und litt unter dieser Gespaltenheit. Sie hatten nur wenig miteinander gesprochen.
    Die Atmosphäre war beklemmend. Sie nahm das Tablett von ihren Beinen und fragte provozierend: »Stehst du mit Absicht da, oder weißt du gar nicht, dass über deinem Kopf ein Glorienschein schwebt?«
    Er verließ sofort seinen Platz und setzte sich auf die Kante seiner Betthälfte.
    202

    »Ich hatte nicht die Absicht, mich in ein besseres Licht zu rücken«, sagte er schmunzelnd.
    Sie warf ihm einen raschen Blick zu und entgegnete, noch ehe sie richtig nachdachte: »Das ist ja was ganz Neues.« Am liebsten hätte sie sich in die Zunge gebissen und sagte versöhnlich: »Entschuldige, ich habe den Waffenstillstand vergessen.«
    »Das ist menschlich«, entgegnete er leichthin.
    Als sie den gequälten Ausdruck in seinen Augen sah, begriff sie, dass die Angelegenheit sehr viel schwerer werden würde, als sie geahnt hatte. Wie ein Häuflein Elend kauerte er auf der Bettkante. Es wäre ein Leichtes für sie gewesen, ihm den Fuß auf die Brust zu setzen.
    Nur die Mobilisierung all ihrer Selbstbeherrschung konnte sie davon abhalten, den Arm auszustrecken und seinen Nacken zu berühren.

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