Der leiseste Verdacht
dann können wir jedenfalls richtig Wein trinken.
Erinnere ihn, eine Zahnbürste mitzunehmen.«
PM trug das Tablett hinaus und hörte Katharina rufen: »Ich dusche jetzt. Würdest du ihn bitten, auch einen Eisbergsalat zu kaufen?«
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Roffe erschien gegen halb acht und brachte Kartoffeln, zwei Sorten Salat, eine Landgurke und Sauerrahm für die Sauce mit.
PM hatte auf Katharinas Anweisung hin ein weiteres Mal bei Roffe angerufen und die Bestellung komplettiert.
Katharina hatte sich selbst übertroffen. Als Roffe geduckt durch die niedrige Küchentür trat, legte sie gerade letzte Hand an die Zitronentorte. Die Lammkoteletts tauten bereits seit ein paar Stunden auf. Sie hatte die wichtigsten Bereiche des Hauses in aller Eile geputzt und PM mit niederen Tätigkeiten wie Abwaschen und Feuermachen betraut. Sie hatte sogar noch Zeit gehabt, die exquisite Abendtafel mit einem Strauß Frühlingsblumen zu dekorieren. Auf dem großen Klapptisch stand ein Keramikkrug mit Akeleien, Vergissmeinnicht, Herzblumen und zarten Farnen.
Sie nahm ihrem Gast die Plastiktüte ab und setzte sofort die Kartoffeln auf.
Roffe ließ den Blick durch den Raum schweifen und sagte nachdenklich: »Als lebte man in einer anderen Zeit. Dieser Raum hat wirklich seinen ursprünglichen, bäuerlichen Charme bewahrt, obwohl der Erbauer des Hofes ihn wahrscheinlich nicht wiedererkennen würde.«
»Glaubst du wirklich, er würde ihn nicht wiedererkennen?«, fragte Katharina.
»Na ja, die Deckenbalken vielleicht schon, denn die hat er selbst eingezogen.«
Katharina stellte sich neben ihn und sah sich um. »Also etwas mehr würde er schon wiedererkennen«, sagte sie. »Die niedrigen, breiten Türen stammen noch aus seiner Zeit. Und auch der Fußboden ist absolut original. Bei den Fenstern sind aber schon Zweifel angebracht. So viele wie heute gab es damals wahrscheinlich nicht. Der offene Kamin existierte von Anfang an, vermutlich in anderer Gestalt als heute. Glaubst du, ihm würde gefallen, was er sieht?«
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»Schwer zu sagen. Er würde sich wohl über die Mischung wundern. Und wahrscheinlich denken, dass hier verarmte Adelige ihre letzte Bleibe gefunden hätten.«
Katharina betrachtete ihr Mobiliar.
»Ja, gut möglich«, sagte sie nachdenklich. »Die verarmte Gräfin hat sich alle Mühe gegeben, das Beste aus dem einfachen Wohnzimmer zu machen. Nur ein bisschen Porzellan, ein paar Bilder und Einrichtungsgegenstände hat sie aus ihrem zwangsversteigerten Gut retten können. Die einfachen Möbel hätten wohl selbst ihre Kammermädchen abgelehnt. Und was würden sie zu unserem Sofa, den Sesseln, zu Fernseher und CD-Player sagen, ganz zu schweigen von Patriks Bildern, die sie sicher verwirren würden?«
Roffe nickte. »Da sie von solchen Dingen keine Vorstellung haben können, lassen wir den Erbauer dieses Hofs nun in Frieden ruhen. Was macht PM eigentlich?«
»Der ist im Atelier. Er wollte ein paar Lasuren auftragen. Gibt es eigentlich was Neues, was den Verdacht gegen ihn betrifft?«
»Nichts Wesentliches. Aber lass uns später darüber reden.
Jetzt essen wir erst mal.«
Katharina ging in die Küche zurück.
»Hilfst du mir bei den Lammkoteletts?«
»Wenn du erlaubst, übernehme ich das Kommando. Wenn du dich um die Kartoffeln kümmerst und ein bisschen Thymian aus dem Garten holst, dann brate ich die Lammkoteletts und mache die Sauce. Das Salatdressing kann ich auch zubereiten. PM darf den Wein aufmachen.«
Katharina lachte befreit. »Wie wunderbar, Menschen um sich zu haben, die einem die Verantwortung abnehmen.«
»Bekomme ich jetzt eure Neuigkeiten zu hören?«, fragte Roffe nach dem Essen. Sie saßen immer noch am Tisch und nippten an 210
ihren Weingläsern. Das lodernde Kaminfeuer und mehrere Kerzenleuchter tauchten den Raum in warmes Licht. Aus den Lautsprechern drang gedämpft Mozarts 20. Klavierkonzert in d-Moll.
Sie hatten über Musik und gemeinsame Erinnerungen gesprochen. Katharina hatte meist geschwiegen und eine tiefe Zuneigung gegenüber beiden Männern empfunden. Sie sahen das Leben so unterschiedlich und stritten über vieles, waren jedoch von gegenseitigem Respekt füreinander erfüllt, was Katharina in ihrem weinseligen Zustand rührte.
Roffes Frage kam unerwartet und holte sie brutal in die Wirklichkeit zurück.
»Wer fängt an?«, fragte sie mit Blick auf Roffe.
»Ladys first«, entgegnete er.
Beide Männer schauten sie auffordernd an. Sie wandte sich Roffe zu: »Du weißt doch, dass Marco Fermi
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