Der leiseste Verdacht
Mai
Fax von der Kriminalpolizei in Stockholm an Kriminalhauptkommissar Rolf Stenberg, Christiansholm.
Lieber Roffe, hier einige Informationen über den Stand der Ermittlungen bezüglich des Mordes in der Engelbrektsgata. In der Wohnung konnten wir ungefähr einhundert Fingerabdrücke sicherstellen. Die meisten sind noch nicht identifiziert. Um die zwanzig Personen aus dem Bekanntenkreis von Marianne Wester wurden verhört. Die interessanteste von ihnen ist zweifellos ihre Freundin Gisela Nordh. Sie machte einen erschütterten Eindruck, war aber sehr auskunftsfreudig.
Während des Verhörs bestätigte sie, dass MW und sie größtenteils von » Dienstleistungen « lebten, die
» Geschäftsfreunde « von Axel Hemberg in Anspruch nahmen.
Nach intensivem Nachfragen räumte sie ein, es seien keine
» Geschäftsfreunde « von Hemberg gewesen. Vielmehr habe Hemberg als Kontaktmann zwischen ihnen und Personen fungiert, die mit irgendeinem Konzern oder einer Organisation in Verbindung stünden. Da ihre so genannten Gäste meist aus dem Ausland gekommen seien, müsse es sich um eine internationale Organisation handeln. MW und sie hätten den Eindruck gewonnen, dass Axel Hemberg auf der Gehaltsliste der Organisation ziemlich weit unten stünde, doch konnte sie diesen Eindruck nicht näher begründen. Die Frage, wer Hembergs Funktion als Kontaktmann übernommen hätte, wollte sie zunächst nicht beantworten, gab jedoch schließlich Folgendes zu Protokoll:
Einige Wochen nach Hembergs Verschwinden seien beide Frauen von einem Mann aufgesucht worden, der sich als 260
Hembergs Auftraggeber zu erkennen gegeben habe. Er habe Näheres zu Hembergs Plänen und seinem gegenwärtigen Aufenthaltsort erfahren wollen. Da sie darüber nichts wussten, hätten sie auch nichts sagen können. Daraufhin habe er erklärt, er habe bis auf weiteres Hembergs Funktion als Kontaktmann übernommen. Wenige Tage später habe er sie mit ein paar
» Gästen « aus Südamerika bekannt gemacht.
Gisela Nordh wollte unter keinen Umständen den Namen des neuen Kontaktmanns verraten, doch nach Andeutungen unsererseits, er könne für den Mord an MW verantwortlich sein und sie schwebe nun selbst in Gefahr, gab sie ihren Widerstand auf und sagte aus, er heiße Peter Enqvist und sei Immobilienverwalter mit Büro in der Surbrunnsgata. Bei unseren Recherchen hörten wir von Unregelmäßigkeiten bei der Wohnungsvergabe, haben aber bislang keine Beweise für solche Behauptungen. Wir beantragten eine Hausdurchsuchung, konnten im Interesse der Sicherheit von Frau Nordh jedoch nichts über unsere Kenntnis seiner Beziehung zu MW verlauten lassen. Darum haben wir vorgegeben, es handle sich um eine Routineüberprüfung seiner Immobiliengeschäfte. Zwei unserer Mitarbeiter, die angeblich eine Wohnung kaufen wollten, haben eine Wanze in seinem Büro installiert. Es wurde ihnen eine Zweizimmerwohnung angeboten, aber das Band konnte keine Geräusche aufzeichnen. Die Techniker gehen davon aus, dass sich ein Störsender im Büro befand. Die Hausdurchsuchung diente offiziell der Steuerprüfung, sollte in Wahrheit aber Aufschlüsse darüber geben, ob eine Verbindung zu Axel Hemberg und zu dem Mord an MW existiert. Sie wurde von denselben Mitarbeitern durchgeführt, die mit der Wanze in seinem Büro waren, was Enqvist in der Meinung bestärken sollte, dass es sich wirklich um eine Routineprüfung handelte, die keine Gefahr für ihn darstellte. Wie vermutet, war mit der Buchführung alles in Ordnung. Es wurden auch keine Unterlagen entdeckt, die auf eine Verbindung zu den beiden 261
Frauen schließen lassen, abgesehen von der Tatsache, dass ihre Wohnungen derselben Firma gehören, bei der Enqvist als Verwalter angestellt ist. Eine Visitenkarte von Hemberg wurde in Enqvists Schublade gefunden. Wir haben ihn jedoch nicht darauf angesprochen. Auf der Rückseite eines kleinen Bildes, das in seinem Büro hängt, befand sich eine Nummer, vermutlich eine Telefonnummer. Wir bemühen uns um Klärung.
Unabhängig davon, ob Enqvist etwas mit dem Mord an MW zu tun hat oder nicht, sind wir auf eine Reihe von Merkwürdigkeiten gestoßen, die eine Telefonüberwachung rechtfertigen. Wir werden ihn im Auge behalten.
In Bezug auf Patrik Andersson hat Gisela Nordh folgende Aussage gemacht: Sie und MW sind ihm zum ersten Mal im vergangenen Herbst in der Opernbar begegnet. Andersson war dort in Begleitung von Axel Hemberg und zwei weiteren Personen. Frau Nordh zeigte kein Interesse an ihm, da
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