Der leiseste Verdacht
öffnete, worauf eine mollige Frau mit einem großen Tablett an den Tisch trippelte. Sie lächelte Roffe mütterlich zu und stellte rasch zwei Porzellantassen, zwei kleine Teller mit Käsebrötchen und Gebäck, Kaffeekanne, Sahnekännchen und Zuckerschale auf den Tisch. Mit stummer Liebenswürdigkeit war sie sogleich wieder verschwunden.
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Roos rieb die Handflächen aneinander und blickte begehrlich auf die Teller. »Ich habe Sie gar nicht gefragt, ob Sie besondere Wünsche haben«, sagte er. »Ich habe einfach die doppelte Menge meiner üblichen Portion bestellt. Aber ich kann Ihnen versichern, dass die Kekse sensationell sind.«
Roffe fühlte sich plötzlich hungrig. Er nahm sich ein Käsebrötchen und versicherte: »Es könnte nicht besser sein.«
Nach einem Moment sagte Roos: »Die Aussagen von Fermis Frau haben Sie also nicht aus erster Hand?«
»Nein«, antwortete Roffe. »Wir kommen zurzeit leider nicht an sie heran. Sie ist abgetaucht.«
Roos Augenbrauen hoben sich eine Spur. Er setzte die Kaffeetasse ab und sagte leise: »Ich bin ganz Ohr.«
»Nygrens nächste Nachbarn heißen Patrik Andersson und Katharina Ekman. Ich sprach gestern von ihnen am Telefon. Sie wurden unfreiwillig in die Geschichte hineingezogen. Katharina Ekman hat mir erzählt, sie sei am Freitag in der Frühe auf dem Weg von Christiansholm nach Hause gewesen. Ungefähr auf halbem Weg begegnete sie Fermis Frau Annika, die zu Fuß in die Stadt wollte. Frau Fermi habe einen sehr erregten und verwirrten Eindruck gemacht. Sie sagte, sie sei von zu Hause geflüchtet, nachdem ihr Mann sie misshandelt habe. Sie zeigte Frau Ekman die Blutergüsse an ihrem Oberkörper und sagte, ihr Mann schlage sie schon seit Jahren. Sie wollte nach Stockholm zu ihren Eltern und sich von ihnen Geld leihen, um dann unterzutauchen. Sie war davon überzeugt, dass ihr Mann sie suchen würde, um sich an ihr zu rächen. Sie hatte sich spontan entschieden, vor ihrem Mann zu flüchten, weil er in der Nacht mit blutbefleckter Kleidung nach Hause gekommen sei. Annika Fermi glaubt, er habe einen Menschen getötet. Während des Gesprächs mit Frau Ekman berichtete Frau Fermi auch von der langen Bekanntschaft zwischen ihrem Mann und Nygren.«
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Roos hatte sich ein wenig vorgebeugt und betrachtete die Narzissen. Es bestand kein Zweifel, dass er intensiv zuhörte.
»Und der Eber?«, fragte er. »Wer hat von dem Eber erzählt?«
»Auf Knigarp gibt es einen Angestellten namens Nils Hallman, einen älteren Mann, der seit Jahrzehnten auf dem Hof arbeitet. Als er um sieben Uhr morgens dort ankam, entdeckte er den toten Eber im Schweinestall. Er informierte Nygren auf der Stelle, doch hier haben wir das nächste Rätsel: Nygren wollte unter keinen Umständen die Polizei informieren, sondern wies Hallman an, den Eber sofort hinter den Schweineställen zu begraben und kein Wort über die Angelegenheit zu verlieren.
Fermi half sogar beim Ausheben der Grube. Hallman hat dies Patrik Andersson erzählt, dem er am selben Vormittag begegnete. Nygren hatte Hallman zwar das Versprechen abgenommen, den Vorfall für sich zu behalten, doch Hallman, der ohnehin unzufrieden mit seinem jetzigen Arbeitgeber und vor allem mit dem Vorarbeiter ist, kam die ganze Sache offenbar mehr als faul vor. Als ich Hallman später dazu befragte, behauptete er, Fermi habe ihm gegenüber zugegeben, den Eber getötet zu haben, und Nygren habe davon gewusst. Zum allgemeinen Kontext gehört, dass Fermi und Nisse in ständigem Streit miteinander liegen. Hallman hat eine sehr innige Beziehung zu den Tieren und ist davon überzeugt, Fermi habe den Eber nur getötet, um ihm eins auszuwischen. Natürlich muss man Hallmans Aussagen mit Vorsicht genießen, doch sehe ich keinen Grund, an der Tötung des Ebers zu zweifeln. Dies lässt sich im Übrigen ja auch leicht nachprüfen.«
»Sie haben also weder mit Fermi noch mit Nygren über die Sache gesprochen?«
»Nein, sie glauben sicher, dass bislang niemand außerhalb des Hofes davon erfahren hat.«
Roos sah erleichtert aus. »Eine gute Nachricht«, sagte er. Eine Weile saß er schweigend da, die Stirn in Falten gelegt. Roffe 271
achtete darauf, seine Kekse aufzuessen. Bedächtig äußerte Roos:
»Die Aussage, dass Nygren und Fermi sich von früher her kennen, beruht vermutlich auf einem Missverständnis. Aber die Geschichte mit dem Eber weckt bei mir ungute Assoziationen.
Ich werde darauf zurückkommen. Doch zuerst möchte ich hören, ob Sie Ihrem Bericht noch
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