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Der leiseste Verdacht

Der leiseste Verdacht

Titel: Der leiseste Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Brink
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wirkte erstaunt und verärgert darüber, dass Fermi immer noch nicht zurückgekehrt war. Wohin Fermi gefahren ist, um seine Frau zu holen, hat er nicht gesagt, und ich hielt es für das Beste, auch nicht nachzufragen.«
    »Verdammt!«, fluchte Roffe und starrte gedankenverloren an die Wand. »Wie ging’s bei PM?«, fragte er abwesend.
    »Alles in Ordnung. Ich bringe die Fingerabdrücke sofort auf den Weg.«
    Roffe nickte.
    Wagnhärad holte das Kuvert aus seiner Tasche und legte es auf den Schreibtisch.
    »Also werde ich mich wohl noch mal nach Knigarp bemühen müssen«, sagte er mit hörbarem Mangel an Begeisterung.
    »Ja, das wirst du wohl«, entgegnete Roffe. »Aber mein Gefühl sagt mir, dass Fermi nicht wiederkommt.«
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    22
    Freitag, 12. Mai
    Roffe Stenberg saß scheinbar beschäftigungslos in seinem Büro und starrte aus dem Fenster. Seiner Umgebung schenkte er keine Beachtung. Vermutlich bemerkte er nicht einmal, dass er mit dem Kugelschreiber unentwegt auf die Tischplatte tippte. Auch dass seine Sekretärin Vera Sahlstedt zweimal den Kopf zur Tür hereingesteckt hatte, um ihn sogleich wieder zurückzuziehen, war ihm entgangen. Ihre lange Erfahrung auf dem Präsidium hatte sie gelehrt, dass eine solch tiefe Versunkenheit entweder auf private Tagträume oder intensives Nachdenken
    zurückzuführen war, und beides galt es zu respektieren. Daher nahm sie mit zufriedenem Lächeln ihre Handtasche und ging ins Erdgeschoss, um ihre Kaffeepause ein wenig zu verlängern.
    Im selben Moment legte ihr Chef den Kugelschreiber hin und murmelte: »Tja, da bleibt mir wohl nichts anderes übrig.« Dann fuhr er auf seinem Stuhl herum, griff entschlossen zum Telefonhörer und wählte die Nummer der Reichspolizei. Er fragte nach Regierungsdirektor Roos und wurde umgehend verbunden. Roos’ leise, eindringliche Stimme hatte sofort eine beruhigende Wirkung auf ihn.
    »Hier ist Rolf Stenberg aus Christiansholm«, sagte er ein wenig überhastet.
    Nach kurzem Zögern, als müsse Roos erst sein Gedächtnis aktivieren, bekam er eine herzliche Erwiderung.
    Roffe sagte: »Hier sind ein paar merkwürdige Dinge vorgefallen, die Sie sicher interessieren werden.«
    »Ach ja?«, sagte Roos beiläufig. »Ich hoffe, sie helfen Ihnen weiter.«
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    »Da bin ich mir nicht so sicher. Die Lage wird ja nicht gerade einfacher und übersichtlicher.«
    »Doch nicht etwa ein weiterer Schweinemord?«, fragte Roos, dessen Tonfall nicht zu entnehmen war, ob er scherzte oder nicht.
    »Nein«, sagte Roffe, »den Schweinen geht es gut. Aber die Fingerabdrücke, die Sie haben wollten, konnte ich Ihnen leider nicht beschaffen. Ich habe am Mittwoch einen Mitarbeiter nach Knigarp geschickt, der erfahren hat, dass die betreffende Person bereits seit Montag nicht mehr gesehen wurde, was seinen Arbeitgeber zu beunruhigen schien. Wir haben die letzten Tage abgewartet, und heute Morgen hat ihn sein Arbeitgeber dann offiziell als vermisst gemeldet. Um zehn Uhr haben wir die Fahndung eingeleitet, und schon eine halbe Stunde später erhielten wir eine gelinde gesagt überraschende Nachricht von unseren Kollegen aus Mjölby.«
    »Aus Mjölby?«, wiederholte Roos mit einer Betonung, als höre er diesen Ort zum ersten Mal. »Ich platze vor Neugier. Was hatten sie zu sagen?«
    »Es sieht ganz so aus, als sei unser Mann in Mjölby festgenommen worden«, antwortete Roffe, der sich der sensationellen Wirkung dieser Nachricht bewusst war.
    Roos war für einen Moment verstummt. Jedenfalls war nichts als sein Atem zu hören. Schließlich sagte er nachdenklich:
    »Wenn er in Mjölby festgenommen wurde, gibt es sicherlich eine komplizierte Begründung dafür.«
    »Selbstverständlich«, entgegnete Roffe lächelnd. »Ziemlich kompliziert, würde ich sagen. Wollen Sie sie hören?«
    »Ob ich sie hören will?«, fragte Roos mit leisem Glucksen.
    »Ich wäre sehr enttäuscht, wenn Sie mir den Rest der Geschichte vorenthielten.«
    Roffe räusperte sich und begann mit der Miene eines Mannes, der weiß, dass er eine gute Geschichte zu erzählen hat: »Am 288
    Montag, also vor vier Tagen, meldete sich bei der Polizei in Mjölby ein anonymer Anrufer, der behauptete, dass um acht Uhr abends eine große Menge Kokain an eine bestimmte Adresse in Mjölby geliefert werden sollte. Der anonyme Anrufer benutzte ein Handy, konnte aber nicht identifiziert werden. Eine Überprüfung der Adresse ergab, dass es sich um das Einfamilienhaus eines pensionierten Arztes handelte, das sich in einer ruhigen

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