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Der leiseste Verdacht

Der leiseste Verdacht

Titel: Der leiseste Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Brink
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eine Kurzfassung der Ereignisse. »Wie du siehst, verbirgt sich hinter seiner geleckten Fassade offenbar ein ziemlich unberechenbarer Typ. Es kann also nicht schaden, wenn du ihm diesbezüglich noch mal auf den Zahn fühlst. Gib ihm einfach Gelegenheit, seine Version des Vorfalls zu erzählen, und stell dich darauf ein, dass er dir gegenüber wieder sein sympathischstes Gesicht zeigen wird. Der Kerl schlüpft einem durch die Hände wie ein nasses Stück Seife. Die Fotos zeigst du ihm am besten gleich zu Anfang, solange seine Laune noch gut ist – sofern sie mit einem gebrochenen Nasenbein gut sein kann.«
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    Wagnhärad, der anfangs so entspannt gewirkt hatte, war mehr und mehr in sich zusammengesunken. Er starrte Roffe düster an und unterdrückte ein Gähnen.
    »Da kann ich mich ja auf einen heiteren Nachmittag freuen«, brummte er.
    »Und ich mich auf deine Rückkehr«, entgegnete Roffe mit freundlicher Miene.
    Wagnhärad schaute auf die Uhr. »Ich geh erst mal was essen.
    Mit leerem Magen fühle ich mich dieser Aufgabe nicht gewachsen.« Er stemmte sich hoch und nahm die Umschläge mit den Fingerspitzen, als fürchte er, seine eigenen Fingerabdrücke darauf zu hinterlassen. Seinen Kaffeebecher ließ er auf dem Regal stehen.
    Als er gerade aus der Tür war, sprang Roffe auf und rief ihm nach: »Warte! Ich hab was vergessen. Hast du dich um die Fingerabdrücke von Patrik Andersson gekümmert?«
    »Nein, ich dachte, das hättest du inzwischen schon getan.«
    »Ich hatte ihn gebeten, deswegen bei uns vorbeizukommen, aber wahrscheinlich hat er es vergessen. Wenn du ohnehin nach Knigarp fährst, könntest du das ja gleich mit erledigen. Ich rufe ihn an und sage, dass du kommst.«

    Mit gut gefülltem Magen und schon etwas optimistischer, was seine bevorstehenden Prüfungen betraf, machte sich Wagnhärad auf den Weg nach Knigarp.
    Als Katharina Ekman die Tür öffnete, konnte er ihrem offenen Lächeln entnehmen, dass er schon erwartet wurde.
    »Roffe hat mich angerufen und Ihren Besuch angekündigt«, sagte sie. »Kommen Sie doch herein. Ich sage meinem Mann, dass Sie da sind.«
    Sie ging ihm ins Wohnzimmer voraus und schritt durch die Tür, die, wie er vermutete, zum Atelier führte. Er beobachtete, 281
    dass sie die Tür nur so weit öffnete, dass sie gerade durch den Spalt schlüpfen konnte. Offenbar betrat sie einen heiligen Bereich, der nur Auserwählten vorbehalten war. Sie kam rasch wieder heraus und schloss hinter sich die Tür.
    »Er kommt gleich. Setzen Sie sich doch.«
    Sie selbst nahm auf dem Sofa Platz und sah ihn mit einer Mischung aus Neugier und Verlegenheit an.
    Wagnhärad setzte sich in einen der großen Sessel und musste abermals feststellen, dass sie eine wahre Schönheit war. Es fiel ihm schwer, sich vorzustellen, wie diese besonnene, hübsche Frau ihrem aufdringlichen Nachbarn brutale Schläge versetzte.
    Doch Roffe zufolge war genau dies geschehen. Offenbar ein ruhender Vulkan …
    Sie lächelte verhalten und fragte: »Haben Sie schon mit Marco Fermi gesprochen?«
    Er wich ihrem Blick aus und fühlte sich ertappt, als hätte sie seine Gedanken gelesen.
    »Nein … äh … ich fand es am besten, zuerst zu Ihnen zu kommen.«
    Er glaubte die Enttäuschung in ihrem Gesicht sehen zu können. Vielleicht hatte sie sich Aufschlüsse über die Strategie ihres Widersachers erhofft.
    »Wir haben ihn seit Sonntag nicht mehr zu Gesicht
    bekommen«, fuhr sie fort, »und dafür sind wir dankbar.«
    Die Tür zum Atelier schwang auf, und Patrik Andersson betrat den Raum. Diesmal trug er keinen verschlissenen Bademantel, sondern einen fleckigen Overall, der von Klecksen
    eingetrockneter Ölfarbe übersät war. Er schien strahlender Laune zu sein und wischte sich mit einem terpentingetränkten Lappen die Finger ab.
    »Entschuldigen Sie, dass es so lange gedauert hat, aber ich kann einfach nicht in jeder Situation den Pinsel hinwerfen. Ich 282
    geh mir rasch die Hände waschen«, sagte er, winkte mit dem Lappen und verschwand durch eine andere Tür, die vermutlich zum Badezimmer führte.
    Als er wenig später fröhlich pfeifend zurückkehrte, streckte er Wagnhärad sogleich seine Hände entgegen.
    »Sauber genug?«
    »Sicher«, entgegnete Wagnhärad und holte seine Utensilien aus der Aktentasche, während die anderen beiden ihn neugierig anblickten und interessierte Fragen stellten. Dank Anderssons Munterkeit herrschte eine gelöste, nahezu ausgelassene Atmosphäre, als sei Wagnhärad nur gekommen, um sie mit den

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