Der letzte Drache
Zeichen. Also gut. Dann musste es also sein, er musste bei seinem geliebten Provider, der Firma mit dem großen magentafarbenem G anrufen. Er nahm sein Telefon, aber es kam kein Freizeichen. Ach ja, Mist, er war beim Umzug auf Internettelefonie umgestiegen. Und die ging jetzt natürlich auch nicht. Also blieb nur das Handy. Er hatte zu Hause zwar nur zwei Balken Empfang, obwohl man kaum zentraler wohnen konnte, aber die reichten.
“Herzlich willkommen bei German Com. Sie werden gleich bedient.” Nun folgte Musik. Soweit er das bei der schlechten Leitungsqualität erkennen konnte, handelte es sich um eine Instrumentalversion von “I still haven’t found what I’m looking for” von U2. Wie wahr.
“Guten Tag, meine Name ist Erwin Müller von der German Com. Wie kann ich ihnen helfen?” Komisch, der Name klang urdeutsch, aber hörte er da nicht einen leichten Akzent? Allerdings konnte Baldur ihn geographisch nicht recht einordnen. Egal.
“Mein Internetanschluss funktioniert nicht. Können sie ihn bitte überprüfen?” Er gab seine Nummer durch.
“Der Anschluss ist in Ordnung. Am besten sie starten ihren Router nochmal neu.”
“Das hab ich schon getan. Der Router sagt, der Anschluss arbeitet nicht.”
“Ich schau noch mal nach. Steht im System aber auf grün. Oh ich sehe grad, da kam eine Meldung rein. Ich setze den Anschluss mal zurück. So, jetzt müsste er wieder gehen.”
“Echt? Das ging aber schnell. Am Router blinkt es aber immer noch. Ich starte den Router nochmal neu.” Im Hintergrund hörte er nun einen seltsamen Singsang, hätte fast ein Muezzin sein können. Man las ja jeden Tag über neue Moscheebauten in Deutschland, aber dass jetzt auch laut und öffentlich zum Gebet gerufen wurde.
“Sagen sie mal, in welcher Stadt sitzen Sie eigentlich? Das klingt ja fast wie ein Muezzin?”
“Nicht nur fast, das ist hier in Kairo nicht so ungewöhnlich.”
Oh Ägypten, dann hatte er sich mit dem leichten Akzent nicht getäuscht. Respekt, sein deutsch war besser als beispielsweise das der meisten Berliner.
“Und dann heißen Sie Erwin Müller?”
“Natürlich nicht wirklich, aber unser Chef hat uns allen deutsche Namen gegeben. Das würde das Vertrauen der Kunden in unsere Kompetenz verstärken. Wenn ich mich mit Mehtin Yüksel melde, geht doch sofort die Fragerei los.” Da hatte er wohl Recht.
“Aber ich habe fast zehn Jahre in Deutschland gelebt.”
“Sie sprechen auch praktisch akzentfrei. Passt schon. Der Router läuft jetzt wieder, aber die LED blinkt immer noch.”
“Tut mir wirklich leid, aber dann bin ich jetzt mit meinem Latein am Ende. Ich stelle eine Störungsmeldung ins System und wir schicken Ihnen eine Email wenn das Internet wieder geht.”
Baldur verzichtete auf den Hinweis, dass er, sobald er wieder Emails bekommen würde, allein deswegen schon wissen würde, dass das Internet wieder funktionierte. Stattdessen wünschte er Herrn Yüksel noch einen schönen Abend und musste einsehen, dass er seinen eigenen Abend nun neu planen musste.
Aber Moment mal, er hatte doch für heute Abend diesen Gutschein gewonnen.
“Jason, gut dass ich dich erwische. Hast du schon gegessen?”
“Ne Alter, musste bis eben noch arbeiten. Wollen wir zu Curry King?”
“Hab da heute was anderes: Heute Morgen hab ich im Radio ein Abendessen gewonnen.”
Jason zog überrascht Luft ein:
“Wusste gar nicht, dass du bei diesen Radiospielen mitmachst. Können wir schon machen. Was fürn Restaurant ist es denn?”
“Mach ich auch nicht. Die haben mich angerufen, komische Geschichte. Es ist das Antiochia. Irgendwas Arabisches. Soll ganz gut sein.”
“Vom Antiochia hab ich schon gehört, klingt gut. Ich hol dich in 5 Minuten ab.”
Jason wohnte nur zwei Straßen weiter und auch das Antiochia lag in der Innenstadt und sie konnten zu Fuß hingehen. Das war zumindest praktisch. Baldur verwendete die Zeit, die ihm blieb, um sich ausgehfertig zu machen. Das heißt, er spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht um wieder einigermaßen wach zu werden und suchte eine warme Jacke, es konnte ja später noch kühl werden.
Es läutete. Da war Jason ja schon. Baldur machte sich auf den Weg und als er vor dem Haus auf Jason traf wurde ihm klar, was passiert war. Den Bagger hatte er völlig übersehen als er nach Hause gekommen war. Im Schein der Laterne war auch gut zu erkennen, dass hier ein ganzer Kabelstrang zerrissen war. Das mit dem Internet konnte also noch dauern. Super.
Das Antiochia lag in
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