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Der letzte Elf

Titel: Der letzte Elf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana DeMari Silvana De Mari
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wurde. Endlich brach sich ein Sonnenstrahl machtvoll zwischen den goldenen Stalaktiten Bahn und brachte die Staubkörnchen zum Funkeln wie einen Sternennebel.
    Das Licht fiel auf einen goldenen Thron, wo blauer Efeu abwechselnd mit Elfenbuchstaben ein ornamentales Muster bildete.
    Auf dem Thron saß ein Herrscher aus alter Zeit, goldene Gewänder umhüllten sein Gerippe, auf dem Kopf verschlangen sich Gold und das blaue Email der Efeublätter zu einer funkelnden Krone. In Händen hielt er ein Schwert, dessen goldener Knauf wiederum vom blauen Email des Efeus umrankt war. Die Klinge steckte fest im felsigen Boden. Aus Gold und blauem Efeu waren die Kette, die er um den Hals, und die Ringe, die er an sämtlichen Fingern trug. Yorsch trat näher hinzu, und das Tageslicht fiel auch auf ihn, wobei seine Haare einen Augenblick wie in einer Aureole aufleuchteten. Er zerriss die Spinnweben, die sich in Staubwolken auflösten, und las:
    HIER RUHT,
DER DIE KRONE TRUG
UND DAS SCHWERT FÜHRTE
    Vier goldene Säulen erhoben sich zwischen den Stalaktiten, auch an ihnen rankte sich der blaue Efeu hoch und bildete ein so erhabenes Relief, dass man es als spiralig umlaufende Stufe betrachten konnte. Yorsch sah hinauf. Das Licht blendete ihn, aber er konnte eine von Farn überwucherte Öffnung erkennen. Die Säule, die dem Ausgang am nächsten stand, war im oberen Teil bemoost, dazwischen wuchsen ein paar kleinere Farnpflanzen und leuchteten in der Sonne.
    »Es hat aufgehört zu regnen«, sagte Meliloto.
    »Wir können gehen. Diese Säulen sind regelrechte Wendeltreppen«, setzte Palladio befriedigt hinzu.
    Auch Robi war zu dem Thron getreten. Im Licht leuchteten ihre Augen wie Sterne.
    Mit ihr an seiner Seite fühlte Yorsch seine Kräfte wachsen, die Angst war fast völlig verschwunden. Oder vielleicht war es der alte König, der dieses seltsame Gefühl von Macht ausstrahlte? Yorsch betrachtete die leeren, von Spinnweben verschleierten Augenhöhlen und verspürte ein merkwürdiges Gefühl, etwas wie Zugehörigkeit. Er legte die Hand auf den Griff des Schwertes, das jedoch fest im Boden steckte. Er versuchte es noch einmal mit beiden Händen, nichts zu machen. Das Schwert war in den Boden gerammt und schien ein Teil davon. Yorsch war verwundert, dann begann er zu lachen. Na klar, es war für einen Elfen bestimmt! Das war lediglich ein Trick, um sicherzustellen, dass nur die richtige Person das Schwert herauszog. Es war ganz einfach eine Frage der Wärme. Bei tieferen Temperaturen verringert sich auch das Volumen von Metallen. Bei großer Kälte würde die Klinge sich zusammenziehen, unmerklich zwar, aber ausreichend, um ebenso leicht aus dem Felsen herauszugleiten, wie sie vor Jahrhunderten hineingefahren war. Glücklicherweise hatte er durch die Notwendigkeit, die zahllosen, von dem neugeborenen Erbrow verursachten Brände zu löschen, Übung im Senken der Temperatur. Er legte die Hand auf den Schwertknauf, schloss die Augen und ließ die Klinge gefrieren, dann zog er sie heraus. Das ging ganz leicht, ohne jede Anstrengung. Leuchtend lag das alte Schwert in seinen Händen, der Knauf mit den Efeuranken schmiegte sich so gut in seine Hand, als wäre er für ihn gemacht. Vielleicht war der Trick mit dem Senken der Temperatur auch für einen Elfen ungewöhnlich. Vielleicht war das Schwert ja für einen Elfen gemacht, aber nur für den mächtigsten unter den Elfen. Den letzten. Es war, als habe das Schwert auf ihn gewartet, als habe der König es für ihn bereitgehalten.
    Jede Spur von Angst verschwand, aber Müdigkeit übermannte ihn und er musste sich auf den Stufen des Thrones niedersetzen; er wartete, bis seine Stirn sich abkühlte. Es war weniger schmerzhaft, als Erbrows Brände zu löschen, aber er brauchte doch etwas Zeit, um sich zu erholen. Als er wieder auf den Beinen war, betrachtete er noch einmal den König. Krone, Kette und Ringe waren verschwunden. Verwundert schaute Yorsch die beiden Soldaten an, die schuldbewusst zu ihm herübersahen.
    »Er vier Kinder und ich fünf…«, drucksten sie verlegen herum.
    »Der Tote braucht sie schließlich nicht mehr, er braucht schließlich für niemand das Brot nach Hause zu bringen...«
    »Er weiß nicht, was das heißt: Du kommst nach Hause und hast nicht für alle zu essen und alle weinen.«
    »Wenn wir dieses Zeug nicht nehmen, dann nimmt es wer anderer...«
    »Womöglich der Richter, dann nimmt alles der Richter...«
    Yorsch warf ihnen einen vernichtenden Blick zu, aber es blieb keine

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