Der letzte Elf
weitere Umstände hängen zu lassen.
Noch nie hatte Robi sich so sicher gefühlt wie in diesem Augenblick. Der Prinz war auf dem Weg zu ihr und würde sie wegführen. Sicher wusste er, was zu tun war und wie.
KAPITEL 17
Y orsch hatte keine blasse Ahnung davon, was zu tun war und wie. Sich den Wachsoldaten am großen Tor zu ergeben, war die einzige Idee gewesen, auf die er gekommen war, und er war sich nicht einmal sicher, ob sie besonders glänzend gewesen war.
Er hatte einen Tausch gemacht: Er selbst, der sich kampflos ergab, im Tausch für das Mädchen. Nicht nur weil er das Monser und Sajra schuldig war, sondern weil, seitdem er sie gesehen hatte, nur noch Robi für ihn wichtig war. Sich im Tausch für das Mädchen zu ergeben, war die einzige Idee, auf die er gekommen war. Er konnte nicht kämpfen, was sonst hätte er tun sollen?
In den verwickelten Märchen, die er Erbrow dem Älteren während seiner Brutzeit vorgelesen hatte, tauschte häufig jemand etwas für etwas anderes ein: Ich gebe dir jetzt ein Pfund Zucchini und ein Kilo Bohnen, und wenn dann dein Kind zur Welt kommt, gehört es mir. Oder: Wenn du mir drei Schwanzfedern vom Goldadler bringst, bekommst du die Hälfte meines Reiches, oder auch sieben Achtel vom fliegenden Teppich gegen fünf Elftel vom Kessel des Überflusses. Und alle hielten sich an die Abmachung. Er hatte also keinen Begriff davon, dass man Abmachungen auch nicht einhalten konnte und dass man zunächst von einer Position der Stärke aus verhandeln muss, bevor man der schwächeren Position nachgibt. Zuerst hätte Robi freigelassen werden müssen und erst dann hätte er sich ergeben dürfen. Im Grunde aber war es so, und das wurde ihm jetzt bewusst, dass er es unhöflich gefunden hätte, anzunehmen, die anderen könnten unehrlich sein, und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen dagegen zu treffen. Auch ganz allein vor die bis an die Zähne bewaffneten Wachsoldaten am Stadttor hinzutreten, war nicht eben klug gewesen. Er hätte Vergeltungsmaßnahmen des Drachen androhen müssen. Wahrscheinlich wäre es keinem in den Sinn gekommen, dass er ihn nicht bei sich haben könnte, aber die alte Unfähigkeit zu lügen und die Peinlichkeit der Vorstellung, dabei ertappt zu werden, hatten ihn gelähmt. Jetzt war es zu spät. Er hatte sich festnehmen lassen, also stand nun Hängen für alle auf dem Programm. Er auf dem Platz und Robi in den Tiefen der Verliese.
Yorsch trug eine solche Menge an Ketten, dass er kaum atmen konnte. Die Soldaten, die ihn begleiteten, waren derartig viele, dass er sie nicht zählen konnte. Sein einziger Trost war, dass sie ihn an den richtigen Ort brachten. Er war in den Verliesen des Palasts von Daligar, und er wusste, dass auch Robi dort war. Irgendetwas würde ihm schon einfallen. Um sich selbst machte er sich die geringsten Sorgen, er war sicher, dass er schon irgendeinen Ausweg finden würde. Wenn eine antike Prophezeiung ihn betraf, dann bedeutete das, dass es für ihn noch eine Zukunft gab. Und er würde sich nicht retten, ohne Robi mitzunehmen.
Es ging immer engere und steilere Stufen hinab, durch immer niedrigere und dunklere Gänge, immer tiefer in die Erde hinein, immer weiter weg vom Tageslicht, bis der Raum sich weitete und er im Licht der Fackeln eine prächtig in Weiß gekleidete Gestalt vor sich sah, die aber eigenartig nach ranzigem Bier roch; er erkannte den Verwaltungsrichter wieder.
Im Dunkel hinter ihm verbarg sich, kaum erkennbar, Robis kleine Gestalt.
Der Richter kam unverzüglich zur Sache.
»Ich habe dich erwartet, Elf«, sagte er mit harter Stimme, »du bist gekommen, um deine künftige Braut zu holen, nicht wahr? Ich weiß das.«
Yorsch war sprachlos. Wie konnte er das wissen? Sicher, Robi war fast noch ein Kind und er noch ein Junge, aber Elfen wählen ihre Braut sehr früh und ein für alle Mal. Jedes Mal wenn er an Robi dachte, an ihr Gesicht, an die Zärtlichkeit und den Mut, womit sie das kleinere Mädchen, das mit dem fehlenden Finger, zu schützen und zu trösten versucht hatte, wusste er: die oder keine!
»Ich weiß das. Auch ich kann die alten Sprachen lesen, auch ich habe die Prophezeiung gelesen, bevor ich sie wegmeißeln ließ, wie alle anderen Schmierereien an den Wänden dieser Stadt. Lesen ist nicht gut fürs Volk, keiner soll es können! Dieses Übel habe ich ausgerottet. Die Prophezeiung - sie stammt von Arduin, dem großen Zauberer, dem Herrn des Lichts, dem Gründer dieser Stadt! Daligar war eine Elfenstadt, das hast du
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