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Der letzte Elf

Titel: Der letzte Elf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana DeMari Silvana De Mari
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gegenseitig. Der Richter hatte das Büchlein mit den Gedichten der Mutter in Händen und war zu vertieft, um etwas zu bemerken. »Was ist das? Zauberformeln? Gedichte? Was für Dummheiten. Fol…ge dem... blau...en... Ich kenne die Elfensprache auch, Elf, wusstest du das? Man muss immer die Sprache des Feindes kennen.
    Efeu ist grün, das weiß ich, Elfen lügen immer, nicht wahr? Auch in ihren Gedichten.
    Folge dem blauen Efeuzweig:
Er bringt dich dorthin, wo das Gold glänzt.
Suche, wo das Wasser quillt.
Die Zukunft hängt ab
Von unserer Kraft... und...«
    Mittlerweile nagten die Ratten nicht mehr nur an den goldenen Bohnen, sondern knabberten alles an, was sie fanden, das heißt Füße und Beine der Soldaten und des Richters, der das Buch mit einem Aufschrei fallen ließ. Nur Yorsch und Robi blieben verschont, ihre Füße waren frei von dem gleichförmigen Rattenteppich, der wuselnd und wimmelnd alles bedeckte, unberechenbar, beweglich und mit spitzen Zähnen versehen.
    Der erste Soldat ergriff die Flucht, gegen die Wand gestützt, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Klank: Das Schloss an Yorschs Handschellen sprang auf und seine Ketten fielen zu Boden; klank, auch die Fußknöchel waren frei. Es war ein allgemeines Getrippel und Gerenne und die Flut der Ratten riss alles mit sich fort. Der Richter stolperte über die Reste des Kreisels und fiel hin. Die wenigen Soldaten, die geblieben waren, stürzten herbei, ihn zu beschützen und aufzurichten, wobei sie Robis Zelle völlig unbewacht ließen. Klank: Auch die war offen. Yorsch nahm Robi bei der Hand und zog sie dort heraus, dann gingen sie beinah langsam zurück, sie gingen rückwärts, um die Soldaten und den Richter nicht aus den Augen zu lassen, während die Ratten ihnen brav auswichen. Yorsch nahm eine Fackel von der Wand und warf der Gruppe einen letzten Blick zu. Der Richter war wieder auf den Beinen, aber er hatte anderes zu tun, als auf sie zu achten. Auf der Treppe nach oben wimmelte es von Wachsoldaten, darüber waren weitere Treppen mit noch mehr Soldaten, noch mehr und immer noch mehr Soldaten.
    Die Ratten dagegen trugen das geistige Bild einer riesigen unterirdischen Welt in sich, die sich labyrinthisch unter der Stadt und unter dem Fluss ausdehnte. Yorsch und Robi drehten sich um und rannten los, weg von der Treppe. Ein Gittertor versperrte ihnen den Weg, zum Glück mit einem Riegel verschlossen, der sich öffnete, und dahinter ging der Korridor weiter. Hinter sich schob Yorsch alle Riegel wieder zu, um mögliche und wahrscheinliche Verfolger aufzuhalten, wenn sie früher oder später dorthin gelangen würden. Inständig hoffte er auf einen Lichtschein, einen Sonnenstrahl, der ihm einen Weg nach oben wiese, aber da war nichts dergleichen. Der Weg neigte sich nach unten, immer weiter nach unten, durch Gänge, die immer dunkler wurden. Die Ratten wurden weniger. Noch mehr Gittertore, noch mehr Riegel, noch mehr Gänge, immer niedriger, immer tiefer hinunter, immer dunkler. Wer den alten Königspalast erbaut hatte, vermutlich Arduin, hatte die antiken unterirdischen Anlagen der Elfen genutzt und sie teilweise in Kerker verwandelt, die durch uralte und unüberwindliche Gittertore vom Rest getrennt waren. Der Königspalast war dann eingestürzt und darüber erhob sich nun der merkwürdige Palast des Richters mit seinem unverständlichen Grundriss, aber die Kerker waren erhalten geblieben.
    Außer Atem blieben Yorsch und Robi stehen. Yorsch hatte Angst. Er war sich nicht sicher, ob er dort je wieder hinausfinden würde. Früher oder später würden die Ratten sich zerstreuen, oder irgendjemand würde sich darauf besinnen, dass eine Fackel genügte, um sie zu verjagen, und dann würden sie der gesamten Armee von Daligar gegenüberstehen, um darüber zu diskutieren, ob ihr Weiterleben aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen ihrem Ableben vorzuziehen sei, und diese Diskussion würde bestimmt nicht in freundschaftlichem Ton geführt werden. Oder sie würden sich ganz einfach in den halb verschütteten Gang verirren und warten, bis der Hunger den Galgen überflüssig machte.
    »Ich weiß nicht, wohin«, gestand er, sobald er sprechen konnte.
    Robi lächelte ihm ruhig zu. Sie beschränkte sich darauf, mit einer Hand nach oben an die Decke des Gangs zu weisen, wo im unsteten Fackellicht die Zeichnung eines sehr langen, blauen Efeuzweigs erschien. Auch das Gedichtbuch seiner Mutter war ein Wegweiser! Man musste ihm nur folgen!
    Tatsächlich aber war

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