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Der letzte Joker

Der letzte Joker

Titel: Der letzte Joker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Lomax ist hier gewesen. Er scheint nächste Woche irgendeine politische Versammlung zu haben und hat einen Drohbrief bekommen.»
    «Was meinst du mit Drohbrief?»
    «Er hat keine Einzelheiten erzählt. Da stand irgend so was drin wie ‹Hüten Sie sich!› und ‹… es wird Schwierigkeiten geben…› Jedenfalls kam er von Seven Dials, ich erinnere mich genau. Er wollte in die Stadt fahren und deswegen Scotland Yard konsultieren. Du kennst George?»
    Bündel nickte. Sie kannte den Kabinettsminister George Lomax, der von vielen Leuten wegen seiner hartnäckigen Angewohnheit gemieden wurde, seine öffentlichen Reden auch im privaten Gespräch zu zitieren. Seine vorspringenden Augäpfel hatten ihm den Spitznamen Codders – Fischauge – eingetragen.
    «Sag mal», fragte sie, «interessiert sich Codders für Gerald Wades Tod?»
    «Nicht dass ich wüsste. Möglich wäre es.»
    Einige Minuten lang schwieg Bündel, während sie versuchte, sich an den genauen Wortlaut des Briefes zu erinnern, den sie an Loraine weitergeschickt hatte. Was mochte das für ein Mädchen sein, an dem Gerald Wade so gehangen hatte? Je mehr sie darüber nachdachte, desto ungewöhnlicher erschien ihr das Ganze. Schrieb so ein Bruder an seine Schwester?
    «Sagtest du nicht, dass Loraine Wade Gerrys Halbschwester sei?», fragte sie plötzlich.
    «Also, genau genommen… war sie… ich meine, sie war keineswegs seine Schwester.»
    «Aber sie heißt auch Wade?»
    «Ursprünglich nicht. Sie ist nicht das Kind vom alten Wade. Er brannte mit einer Frau durch, die mit einem ausgesprochenen Lumpen verheiratet war. Ich glaube, das Gericht sprach bei der Scheidung das Kind seinem kriminellen Vater zu, aber der machte keinen Gebrauch davon. Der alte Wade fand Gefallen an dem Mädchen und bestand darauf, dass es seinen Namen tragen sollte.»
    «Verstehe», murmelte Bündel. «Das erklärt es.»
    «Was denn?»
    «Etwas, das mir an dem Brief rätselhaft erschien.»
    «Sie soll ein sehr hübsches Mädchen sein.»
    Nachdenklich ging Bündel nach oben. Sie hatte mehrere Eisen im Feuer. Zunächst musste sie Jimmy Thesiger finden. Da konnte Bill eventuell hilfreich sein. Ronny Devereux war ein Freund von Bill gewesen. Wenn Jimmy Thesiger mit Ronny befreundet gewesen war, standen die Chancen gut, dass auch Bill ihn kannte. Und dann das Mädchen, Loraine Wade. Es war gut möglich, dass Loraine Licht in die Sache mit Seven Dials bringen konnte. Offenbar hatte Gerry Wade ihr Näheres erzählt. Sein Drängen, dass sie Seven Dials vergessen solle, schien irgendwie verdächtig…

7
     
    B ill zu erreichen war nicht schwierig. Am nächsten Morgen fuhr Bündel nach London – diesmal ohne unterwegs ein Abenteuer bestehen zu müssen – und rief ihn an. Bill machte eifrig Vorschläge, wo man sich treffen solle – zum Lunch, zum Tee, zum Abendessen und zum Tanzen. Aber Bündel lehnte alle der Reihe nach ab.
    «In ein oder zwei Tagen vielleicht, Bill! Im Augenblick bin ich geschäftlich hier.»
    «Ach», meinte Bill. «Wie entsetzlich langweilig!»
    «Nicht so, wie du denkst. Ganz im Gegenteil. Kennst du einen gewissen Jimmy Thesiger, Bill?»
    «Natürlich und du auch.»
    «Nein, du täuschst dich.»
    «Aber du musst ihn einfach kennen! Sieht mit seinem rosa Gesicht ein bisschen dämlich aus, hat aber keineswegs weniger Hirn als ich.»
    «Was du nicht sagst», meinte Bündel. «Ist er da nicht ein bisschen kopflastig?»
    «Was soll der Sarkasmus?»
    «Sarkasmus? So hoch würde ich mich nicht vergreifen. Was macht Jimmy Thesiger?»
    «Ob er einen Job hat? Nein.»
    «Also hat er noch mehr Geld als Hirn?»
    «Das möchte ich nicht behaupten. Ich meinte nur, dass er mehr Hirn hat, als du denkst.»
    Bündel schwieg. Es kamen ihr mehr und mehr Zweifel. Goldjunge Thesiger schien ihr kein sehr erfolgversprechender Verbündeter zu sein. Und doch war es sein Name gewesen, den der sterbende Ronny Devereux genannt hatte. Als hätte Bill erraten, an wen Bündel dachte, sagte er plötzlich:
    «Ronny hält sehr viel von ihm. Du weißt schon, Ronny Devereux. Thesiger ist sein bester Freund.»
    «Ronny…» Bündel brach unentschlossen ab. Offensichtlich wusste Bill nichts von Ronnys Tod. Plötzlich fiel ihr auch auf, dass merkwürdigerweise die Zeitungen über das tragische Ereignis nicht berichtet hatten.
    «Ich habe Ronny seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen», fuhr Bill fort. «Seit jenem Wochenende in eurem Haus! Du weißt schon, als der arme Gerry Wade starb.» Er machte eine kleine Pause.

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