Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
das Kloster bringen, das etwas unterhalb der Passhöhe lag. Arima hatte die Verlegung des Mauren befohlen, denn ihr war klar, was bald geschehen musste, und dass es Abu Taurs sicherer Tod wäre, wenn er in Burg Roncevaux gefunden würde.
Einige Zeit später waren wie erwartet Frankenkrieger gekommen und hatten die Burg für König Karl in Besitz genommen. Ihr Anführer war Ganelon gewesen, blass und hager geworden, nervös, wie sie ihn nie zuvor gesehen hatte. Sein Unbehagen an der eigenen Mission war so offensichtlich gewesen, dass sie ihm die Hand auf den Arm gelegt und gesagt hatte, sie nehme es ihm nicht übel. Der Paladin hatte diese Worte mit sichtlicher Erleichterung aufgenommen, und doch hellte sich seine Stimmung nur wenig auf. Er hatte einen Centenarius zum Burghauptmann erklärt, dann war er weniger gegangen als vielmehr geflohen.
Arima war beinahe dankbar für diesen Schritt König Karls gewesen. Er schenkte ihr die alte Wut, die sie immer ergriff, wenn man ihr den Respekt versagte. Karls Besetzung der Burg war zwar strategisch nachvollziehbar, aber dennoch respektlos gegenüber ihrem, Arimas, Besitzanspruch und auch gegenüber Roland, der nominell der eigentliche Herr von Roncevaux war.
Die Wut richtete sich zunächst gegen Roland, von dem sie erwartet hatte, dass er selbst es sein würde, der die Burg übernahm. Dies hätte wenigstens noch den Anschein einer legalen Handlung gehabt – der neue Burgherr, der seinen Besitz aus der Hand seiner Braut übernahm. Doch Roland war anscheinend zu gekränkt oder zu feige oder mit wichtigeren anderen Dingen beschäftigt. Im Lauf der Tage wurde ihr jedoch klar, dass Roland, wäre er an der Stelle Ganelons gewesen, irgendwie darauf hätte reagieren müssen, dass er Afdza und seine Verlobte in einem Bett vorgefunden hatte. Er konnte den Vorfall nicht totschweigen; zu viele Männer hatten ihn an diesem katastrophalen Morgen in die Burg kommen sehen. Als Arimas Verlobter und als Herr der Burg hätte er eine Strafe aussprechen müssen. Die Strafe für die Untreue einer Frau war der Tod durch Erdrosseln. Niemand hätte Roland deswegen unziemlicher Härte geziehen. Im Gegenteil – hätte er nichts unternommen, hätte seine Ehre infrage gestanden. Roland hatte in all seinem Schmerz vermutlich ebenso anständig gedacht und gehandelt wie Afdza, als er gegangen war.
Danach richtete Arimas Wut sich gegen König Karl und stürzte sie damit in noch größere Verwirrung, denn die Treue gegenüber dem König war so tief in ihr verwurzelt, dass der eigene Zorn ihr wie ein Frevel vorkam. Ihre innere Ruhelosigkeit führte dazu, dass sie sich immer stärker in Vorgänge auf der Burg einmischte, die eigentlich der Centenarius Ganelons regeln sollte. Der Krieger hatte offenbar den Befehl bekommen, Arima mit Samtpfoten anzufassen, denn sein Widerstand gegen Arima war schwach und wurde noch schwächer, als sich immer mehr zeigte, um wie viel effektiver und zielstrebiger das Regiment der eigentlichen Burgherrin war.
Und so packte der innere Krieger Arimas, über den das Schicksal hinweggerollt war wie eine Angriffswelle von Panzerreitern, blessiert und durcheinander und vom Schock halb erstarrt, den Schild und das Schwert und bereitete sich darauf vor, dass der Kampf weiterging.
Dies war die Situation, als Roland auf Roncevaux eintraf.
Die Torwachen machten erneut Meldung, als der Centenarius aus dem Palas kam. Arima blieb wie angewurzelt stehen, als sie die Meldung hörte: »Es ist Comes Roland, Herr.«
»Lasst ihn ein«, sagte sie, noch bevor ihr Gehirn mit dem Nachdenken über diesen unerwarteten Besuch hinterhergekommen war, und noch bevor der Centenarius reagieren konnte. Der Mann nickte gottergeben, als seine Krieger ihn fragend ansahen.
Roland war staubbedeckt, durchgeschwitzt und vom Schaum seines Pferdes, das mit zitternden Beinen stehen blieb, beschmiert. Die Krieger scharten sich um ihn und fragten nach dem Fortgang des Feldzugs, aber Roland drängte sich aus ihrer Mitte heraus und stapfte auf Arima zu. Aus der Nähe sah sie, dass er sich kaum auf den Beinen halten konnte. Seine Brust hob und senkte sich krampfhaft mit jedem Atemzug. Sein Haar war länger geworden, seine Wangen waren dunkel von Bartwuchs, seine Blicke tasteten suchend über ihr Gesicht. Arima floh in die zeremonielle Begrüßung: »Gott zuerst, und danach mir, sei willkommen, Herr.« Für einen Moment fürchtete sie, er sei nun doch gekommen, um eine Strafe über sie zu verhängen, und durch ihren
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