Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
nur eine tiefe, fast schwesterliche Zuneigung zu Roland empfunden. Jetzt, in ihrer Einsamkeit und ihrer Sehnsucht nach Afdza, war da plötzlich mehr. Es war nur ein Fünkchen, verglichen mit dem Feuer, das für Afdza in ihr brannte, aber das Fünkchen war da, und nach den Wochen der Leere sandte es eine unerwartet wohltuende Wärme in ihr Herz.
Hier oben auf der Plattform waren sie endlich für sich. Der Wächter auf dem Donjon war hinuntergeklettert und stand unten auf dem Wehrgang. Offenbar hatte Roland ihn von seinem Dienst entbunden. Arima setzte sich neben ihren Bräutigam.
»Morgen bei Tagesanbruch reite ich zurück zum Heer«, sagte er statt einer Begrüßung. »Ich habe Karl versprochen, dabei zu sein, wenn er die Krieger wieder in Marsch setzt.«
Arima nickte. Sie hatte nichts anderes erwartet.
»Ich musste herkommen. Ich konnte nicht anders.«
»Ich danke dir dafür«, sagte Arima leise.
»Alle tun so, als hätte ich den Feldzug gewonnen«, sagte Roland, »dabei war es noch nicht einmal die entscheidende Schlacht.«
»Was hat Karl dazu gesagt?«
»Er hat die zwei Hundertschaften Fußkämpfer und ihre Centenarii gefragt, ob sie unter meinem Kommando bleiben wollen. Zur Antwort haben sie mich auf einen Schild gehoben und durch die Gassen der Stadt getragen. Ich befehlige jetzt nicht nur eine Schar Scariti, sondern auch noch meinen eigenen Schildwall. Es gibt nur noch einen weiteren Paladin, dem Karl dies zugesteht.«
»Du sagst das, als würdest du es bedauern!«
»Du hast mich nicht gefragt, wer dieser andere Paladin ist.«
Arima brauchte, als sie seinen Tonfall hörte, nicht lange nachzudenken. »Ganelon?«, fragte sie.
»Die beiden Hundertschaften standen sogar vorher unter seinem Befehl. Ich konnte ja nur die Centenarii direkt ansprechen, deren Comes nicht anwesend war, als ich meinen Plan ersonn. Sonst wäre es eine Beleidigung für den Comes gewesen, nicht vorher ihn um Erlaubnis zu fragen. Und Ganelon war auf Karls Befehl mit seinen Reitern unterwegs, um die Umgebung abzusichern. Natürlich hat Karl ihm zwei andere Hundertschaften zugeteilt, aber Ganelon denkt nun, ich hätte bewusst seine Männer angesprochen, um ihn zu demütigen, und dass Karl damit einverstanden gewesen sei. Ganelon denkt, dass ich ihn hasse.«
»Weshalb denkt er das?«
»Weil ich einmal gesagt habe, dass ich es tue«, entgegnete Roland. »Es war, als die Nachricht vom Tod meines Vaters kam. Ich machte Ganelon dafür verantwortlich. Ich war ein Knirps. Und Ganelon hat mich geliebt, als wäre ich sein Sohn und nicht nur sein Neffe. Ich glaube, damals ist etwas in ihm zerbrochen. Über unserer beider Beziehung liegt ein Fluch: Was immer ich tue, um ihm zu helfen, kommt bei ihm wie eine Demütigung an.«
»Er wollte diesen Feldzug nicht, oder? Er ist der Meinung, dass er nicht zu gewinnen ist. Und dann kommst ausgerechnet du und gewinnst die erste große Schlacht.«
Roland nickte betrübt. »Mit seinen eigenen Kriegern, zu deren Einsatz ich ihn nicht einmal um Erlaubnis gefragt habe.«
»Kein Wunder, dass er dich hasst«, sagte Arima.
»Ich glaube, er ist der einsamste Mensch auf der ganzen Welt«, murmelte Roland und zog die Knie an den Leib. Nach einer Weile wandte er den Kopf und sah sie an. Das Sternenlicht ließ seine Augen funkeln. »Ganelon wandelt unter einem unglücklichen Stern. Er hat nichts falsch gemacht und hat dennoch viel verloren. Das ist es, was ihn einsam macht. Arima … Ich möchte lieber im Kampf sterben als ein einsamer Verlierer sein …«
»Du wirst weder im Kampf sterben noch als einsamer Verlierer leben«, sagte Arima und berührte seine Hand. Sie spürte ihn zittern.
»Ich liebe dich«, sagte er leise.
»Ich weiß«, sagte sie.
Dann beugte er sich zu ihr und küsste sie, und zuerst ließ sie es geschehen, doch nach ein paar Herzschlägen begann sie, seinen Kuss zu erwidern. Der Funke, den sein Hiersein in ihrem Herzen entfacht hatte, loderte plötzlich auf und senkte sich in ihren Schoß. Sie löste sich von ihm, stand auf und streckte die Hand aus. Ihr Herz hämmerte, ihre Beine drohten zu versagen, und dennoch fühlte sie sich, als schwebte sie. Verwirrt und erregt zugleich sah er zu ihr hoch.
»Komm mit mir, Herr«, flüsterte sie, »und sei willkommen in meinem Bett.«
Es gab keinen Schmerz, außer dem kurzen Stich, als er in sie eindrang und das Geschenk annahm, das eigentlich Afdza Asdaq hätte erhalten sollen. Es gab nur seine Zärtlichkeit, wo sie sie brauchte, und seine
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