Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
Leidenschaft, wo sie nach ihr verlangte. Es gab keine Scham. Sie hatte keine Erfahrung, und er hatte jede Menge, aber sie nahm freudig an, was er ihr zeigte, und gab und nahm die Lust, wie sie kam. Sie waren eins, bis Arima nicht mehr spürte, wo ihr Körper endete und der von Roland begann. Sie spürte seine Hände, seine Zunge, seine Haut, sie schmeckte seine Küsse und seine Leidenschaft und ließ ihn ihre schmecken. Sie liebten sich mit der Wildheit von Löwen und der Zartheit von Liebenden, die sich erst kennenlernen, und schenkten sich Erfüllung, bis die Sterne vor Arimas Fensteröffnung zu verblassen begannen und ein grauer Hauch den Himmel überzog.
Als die ersten Sonnenstrahlen die Spitzen der umgebenden Berge färbten, saß sie in der Halle und las die Zeilen, die sie hastig auf ein Stück Pergament gekritzelt hatte. Sie war so sehr beschäftigt, die Gefühle, die in ihr brodelten, zu unterdrücken, dass sie nicht einmal merkte, wie ihr die Tränen über die Wangen liefen. Sie hatte alle betrogen: Afdza, weil sie das, was sie ihm hatte geben wollen, Roland gegeben hatte; Roland, weil sie die ganze Zeit versucht hatte sich vorzustellen, er wäre Afdza; und sich selbst, weil sie sich eingeredet hatte, all dies könne jemals gut enden. Doch als Roland neben ihr eingeschlafen war, war ihr klar geworden, dass sie einen Fehler begangen hatte.
Roland kam gähnend in die Halle geschlendert, steuerte auf sie zu und starrte sie dann betroffen an, als er die Tränen sah.
»Was ist denn …?«, begann er.
Arima goß den Klecks Siegellack, den sie über einer Kerzenflamme erhitzt hatte, auf das Pergament, dann drückte sie ihren Ring hinein. Es war ihr wichtig gewesen, dass er ihr dabei zusehen konnte. Dann überreichte sie ihm wortlos das Pergament.
Roland verzog das Gesicht. »Ach, Arima … ich kann das doch nicht lesen!«
Sie hatte gehofft, sie würde es ihm nicht vorlesen müssen. Jetzt, als sie die Zeilen überflog, merkte sie, wie kalt sie sie formuliert hatte, um überhaupt fähig zu sein, sie aufs Blatt zu bringen. Ein Schmerz tobte in ihr, der schlimmer war als ein Dolchstoß. Ihre Stimme klang in ihren eigenen Ohren fremd, als sie ihm erklärte, was das Pergament bedeutete.
»Diese Urkunde macht dich zum Herrn über Roncevaux«, sagte sie.
Es wäre leichter gewesen, wenn er so wie viele andere gewesen wäre. Wenn er einen Scherz gemacht und gesagt hätte: Das bin ich doch ohnehin! Und letzte Nacht haben wir es noch ganz anders besiegelt als mit ein paar Tropfen Lack! Aber er sagte nichts. Er musterte sie nur, und die gute Laune wich langsam aus seinem Gesicht.
»Ich habe einen Fehler gemacht«, flüsterte sie. »Ich versuche, ihn wiedergutzumachen, indem ich dir Roncevaux schenke.«
»Du hast mir bereits ein großes Geschenk gemacht …«, sagte Roland.
Arima nickte.
»Doch das Einzige, das ich wirklich will, … gibst du mir nicht?« Nun flüsterte auch er.
Arima schüttelte den Kopf. »Mein Herz und meine Seele gehören ihm. Was gestern Nacht geschehen ist, hat daran nichts geändert.«
Roland nahm die Urkunde, mit dem sie ihm alles gab, was ihre irdische Existenz ausmachte, entgegen. Er blickte darauf nieder, folgte mit den Augen den paar Zeilen, die er nicht lesen konnte.
»Wir lassen es noch von Karl und von der Kirche beglaubigen, wenn der Feldzug vorüber ist«, sagte sie.
»Nein, tun wir nicht«, sagte Roland tonlos. Er hielt das Pergament an die Kerzenflamme, sah ihm beim Verbrennen zu, ließ den letzten glühenden Rest auf den Boden fallen und zerrieb ihn mit der nackten Ferse.
Als er Roncevaux verließ, sah sie ihm vom Wehrgang aus nach, bis der Wald unterhalb der Passhöhe ihn verschluckte. Dann kehrte sie in ihre Kammer zurück und ließ ihrem Schmerz und ihren Tränen freien Lauf. Statt etwas gutzumachen, hatte sie das Schicksal der beiden Männer endgültig besiegelt. Roland würde nun mit allen Mitteln versuchen, Afdza zu töten – oder dabei getötet zu werden.
MEDINA BARSHALUNA
Afdza musterte die Männer, die sich um ein Mosaik von al-Andalus in Suleimans Saal versammelt hatten. Das Mosaik nahm einen großen Teil des Fußbodens vor Suleimans Diwan ein. Mit Hilfe von Elfenbeinfiguren war die Lage dargestellt – Türme und kunstvoll geschnitzte Kastelle für die Städte, Reiter- und Soldatenfiguren für die Heere: hier die Mauren, dort die Franken. Die Männer blickten ernst: es waren al-Husayn, der Statthalter von Saraqusta, der junge Musa ibn Fortun, der neue
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