Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
und Wut gleichermaßen verzerrt.
Arima wandte sich kommentarlos von ihm ab und schritt an Afdza Asdaq vorbei. »Wenn du mir nun folgen willst, Herr?«, sagte sie über die Schulter.
»Wie ich schon sagte – ich wüsste nicht, wobei du meine Hilfe benötigst, Herrin«, sagte Afdza, aber sein Lächeln war nun weniger belustigt als anerkennend.
Er schritt hinter ihr her zum Herrenhaus hinüber, lautlos wie eine Raubkatze. Arima fragte sich, wie Ganelon hatte behaupten können, dies sei der Mann, der nie ein Wort sprach. Offenbar suchte sich Afdza Asdaq die Menschen, die er einer Anrede für wert hielt, sehr genau aus.
Die Mauren, die Ganelon hereingeführt hatte, standen immer noch beim Eingang der Halle und tauschten Höflichkeiten mit dem Leiter ihrer eigenen Vorausdelegation und Arimas Hausvorsteher aus. Ihre Gespräche erstarben, als Arima mit Afdza Asdaq im Schlepptau an sie herantrat. Eine Gasse bildete sich; Arima ahnte, dass sie sich nicht für sie, sondern für den hochgewachsenen einäugigen Mann auftat. Ganelon stellte die Burgherrin den Mauren vor, und die Männer verneigten sich tief. Wieder ahnte Arima, dass die Verbeugung nur deshalb so tief ausfiel, weil Afdza neben ihr stand. Ein Anflug von Ärger wallte in ihr auf, doch sie schluckte ihn rasch hinunter. Ganelons Gesicht war ausdruckslos, als sie ihm einen Seitenblick zuwarf, doch es war klar: Der Paladin hatte die Situation von Anfang an so geplant. Deshalb hatte er sie gebeten, auf den Nachzügler zu warten. Keinem in der Halle konnte entgangen sein, wie tief die Verbeugung der Mauren ausgefallen war, und für jeden musste es so ausgesehen haben, als habe sie ausschließlich ihr, Arima, gegolten. Was hatte der Paladin gesagt? Er würde dafür sorgen, dass sie den nötigen Respekt erhielt? Sie unterdrückte ein Lächeln.
Als sie auch noch aus dem Augenwinkel wahrnahm, dass Adalric in die Halle gehumpelt kam und die Ehrenbezeugung der Mauren ebenfalls sah, hob sie den Kopf in einer triumphalen Geste und führte den einäugigen Krieger zum Kopfende der Tafel, wo sie ihm Adalrics Platz an ihrer Seite anbot. Sie setzte sich und stellte fest, dass alle, die sie anschaute, ehrerbietig ihre Blicke abwandten. Ganelon setzte sich an ihre andere Seite und nickte dem einen oder anderen der Franken zu. Der Hausvorsteher scheuchte die Sklaven mit neuem Essen und Trinken heran, die neu angekommenen Mauren bekamen Plätze in der Nähe des Kopfendes, die die Mitglieder der Vorausdelegation ihnen kommentarlos überließen, der Geräuschpegel stieg wieder an, das erste Lachen ertönte … und Arima lächelte in die Runde. Sie war sich die ganze Zeit über der Anwesenheit Afdza Asdaqs bewusst, fühlte seinen Blick und spürte sein Lächeln, obwohl sie sich nicht einmal zu ihm hinwandte.
PATRIS BRUNNA
Die neueste Pfalz König Karls erhob sich auf einem niedrigen, leicht ansteigenden Plateau oberhalb eines ausgedehnten Quellgebiets, in dem über hundert kleine und größere Quellen sich zu einem Fluss vereinigten. Dem Fluss war ein kurzes Leben beschieden; nach nur einer knappen Wegstunde Fußmarsch ergoss er sich schon in ein größeres Gewässer, das hier vorbeifloss. Die Sachsen, die bis zum vorigen Jahr die Herren dieses Landstrichs gewesen waren, nannten den größeren Fluss Lipia. Den kleineren, der ihnen für eine wirkliche Namensgebung offenbar zu unbedeutend war, nannten sie in ihrer Sprache schlicht und einfach »Wasser«: Pader.
Die Pfalz war zum größten Teil eine Baustelle. Der Palas würde rechtzeitig zur Reichsversammlung fertig sein, aber die Salvatorkirche würde nur aus vier Wänden bestehen, über denen es kein Dach gab. Oberhalb des niedrigen Uferabfalls zur Pader stand eine Befestigungsmauer. Der Rest der weitläufigen Anlage wurde von der üblichen hölzernen Palisade eingefasst. Palas und Kirche waren die einzigen steinernen Gebäude der Burg, und bezüglich des Palas galt auch das nur für die Aula regia, die große Halle; der Wohntrakt, der sich im rechten Winkel daran anschloss, war ein Holzbau, ebenso wie die Wirtschaftsgebäude und Ställe an der Mauer oberhalb der Pader. Der Klausurbereich für die irischen Benediktinermönche, denen König Karl hier eine Klostergründung gestattet hatte, war noch mitten im Bau. Die Mönche, unerschrocken wie alle Iren, nächtigten in einem Zelt direkt an der Ostwand der Kirche und schienen sich nicht unwohl damit zu fühlen.
Die Franken, die jetzt die neuen Herren hier waren, hatten den
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